Vom Computer durchschaut: Allein anhand unserer „Likes“ kann ein Computerprogramm unsere Persönlichkeit besser einschätzen als Arbeitskollegen und Freunde. Das enthüllt ein Facebook-Experiment britischer Forscher. Der Einblick des Computers geht soweit, dass er sogar die Treffsicherheit unserer Lebenspartner erreicht. Die Forscher appellieren daher an die Technikentwickler, mehr Schutz der Privatsphäre und des eigenen digitalen Fußabdrucks zu ermöglichen.
Soziale Netzwerke wie Facebook sind für viele Menschen längst Teil des Alltags. Nicht nur das persönliche Profil, auch die vergebenen Likes sind Ausdruck unserer Vorlieben und Charakterzüge. Bereits 2013 stellten Forscher fest, dass vor allem die von uns verteilten Lob-Klicks mehr verraten, als den meisten von uns lieb sein dürfte – und dies selbst bei scheinbar völlig nichtsagenden Likes.
Schon zehn Likes reichen aus
Jetzt legen Wu Youyou von der University of Cambridge und ihre Kollegen noch einen drauf. Sie haben bei 86.220 Facebook-Nutzern untersucht, wie gut ein Computerprogramm ihre Persönlichkeit anhand der von ihnen gelikten Bilder, Videos, Texte und Kommentare auf Facebook bestimmen kann – und wie genau dies mit der über einen psychologischen Test bestimmten Persönlichkeit übereinstimmt. Zum Vergleich ließen sie Arbeitskollegen, Freunde und Lebenspartner die Zielperson ebenfalls beschreiben.
Das Ergebnis ist fast schon erschreckend: Schon zehn Likes reichten für den Computer aus, um den Charakter einer Person besser einschätzen zu können als Arbeitskollegen. Um besser zu sein als Freunde, brauchte das System rund 70 Likes und gegenüber Familienmitgliedern waren 150 zur vergleichbar guten Auswertung nötig. Um eine Person ähnlich gut einzuschätzen wie ihr Lebenspartner, benötigte der Computer immerhin 300 Likes. Da jeder Facebook-Nutzer im Durchschnitt rund 227 Likes verteilt, ist selbst dieser Wert meist nicht schwer zu erreichen, so die Forscher.
Warnung vor gläsernem Nutzer
„In Zukunft könnte Computer demnach unserer psychologischen Merkmale ermitteln und entsprechend reagieren“, sagt Youyou. „Das könnte zur Entwicklung von emotional intelligenten und sozial geübten Maschinen führen. Mensch-Computer-Interaktionen wie im Spielfilm ‚Her‘ dargestellt, erscheinen in diesem Kontext gar nicht mehr so weit weg.“
Wie die Forscher einräumen, könnten solche Persönlichkeits-Algorithmen zwar durchaus nützlich sein – beispielsweise bei der Partnersuche oder anderen Entscheidungen. Sie warnen aber auch vor der Schattenseite des gläsernen Nutzers: „Wir hoffen, dass Konsumenten, Technologie-Entwickler und Entscheider diese Herausforderungen angehen und Gesetze und Technologien fördern, die unsere Privatsphäre schützen und uns selbst volle Kontrolle über unseren digitalen Fußabdruck geben“, so Youyou. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 20914; doi: 10.1073/pnas.1418680112)
(University of Cambridge, 13.01.2015 – NPO)