Wellenreiter im All: Drei Mal hat die Raumsonde Voyager 1 bereits regelrechte Tsunamis registriert – Schockwellen im interstellaren Plasma, die von starken Sonneneruptionen ausgelöst werden. Für Rätsel sorgt dabei allerdings die dritte Welle: Sie hält überraschenderweise schon seit Februar 2014 an. Warum, weiß niemand.
Die Raumsonde Voyager 1 ist weiter gekommen als je ein menschliches Objekt vor ihr: Im September 2013 verließ sie das Sonnensystem und drang in den interstellaren Raum vor. „Wir sprangen buchstäblich aus unseren Sitzen, als wir die Daten sahen“, berichtet Projektleiter Don Gurnett von der University of Iowa. „Sie zeigten uns, dass die Raumsonde in einer ganz neuen Region angekommen war, dem interstellaren Raum.“
Während im Einflussbereich der Sonne, der sogenannten Heliosphäre, der Sonnenwind die Umgebung prägt, dominiert weiter außen das interstellare Medium – kaltes, ionisiertes Gas. Dieses Medium ist 40 Mal dichter als in der Schutzblase des Sonnensystems, wie Messungen der Raumsonde zeigten.
Schockwellen im interstellaren Raum
Doch auch mehr als 20 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt, machen sich ihre Kapriolen noch bemerkbar, wie die Voyager 1-Mission zeigt: Gibt es auf der Sonne einen besonders starken koronaren Massenausbruch, dann ist dies selbst im interstellaren Medium noch spürbar. Die Schockwelle dieses magnetischen Plasmaausbruchs löst einen regelrechten Tsunami im interstellaren Gas aus.
„Dieser Tsunami führt zu Resonanzen im ionisierten Gas des interstellaren Raums – es singt oder vibriert wie eine Glocke“, erklärt Ed Stone vom California Institute of Technology in Pasadena. Voyager 1 hat inzwischen bereits drei solcher Schockwellen registriert: Eine im Oktober 2012, eine im April 2013 und eine, die seltsamerweise seit Februar 2014 anzuhalten scheint. Was diese ungewöhnliche Langlebigkeit der Schockwelle bedeutet und wie lang sie tatsächlich ist, bleibt bisher rätselhaft.
Rätsel um Dauer-„Tsunami“
Obwohl sich Voyager seit Februar dieses Jahres 400 Millionen Kilometer weiter nach außen bewegt hat, registrieren seine Instrumente noch immer die erhöhte Plasmadichte, die diese interstellaren Tsunamis auszeichnet, wie die Forscher berichten. Das sorgt für einiges Rätselraten: „Die Plasmadichte nimmt zu, je weiter sich Voyager von uns entfernt“, berichtet Stone. „Aber ist dies deshalb, weil die Schockwelle noch anhält oder liegt es daran, dass das interstellare Plasma immer dichter wird, je weiter sich Voyager von der Heliosphäre entfernt? Wir wissen es schlicht nicht.“
Theoretisch könnte es sein, dass die von den Sonnenstürmen erzeugten Schockwellen sogar doppelt so weit in den interstellaren Raum hinausreichen wie die jetzige Entfernung der Raumsonde von der Sonne. Ob und wann Voyager 1 daher ungestörten interstellaren Raum erreichen wird, ist bisher ungewiss. „Wir können es kaum erwarten zu sehen, was uns die Daten als nächstes über den tiefen Weltraum verraten“, sagt Projektmanagerin Suzanne Dodd vom Jet Propulsion Laboratory.
Die von Voyager 1 ausgesendeten Daten benötigen 17 Stunden bis zu Erde. Von ihren anfangs rund 23 Watt bleibt nach dieser Reise nur noch der Milliardstel Teil eines Milliardstel Watts übrig. Nur mit Hilfe der großen Spezialantennen des Deep Space Networks der NASA lassen sich diese extrem schwachen Signale überhaupt einfangen. Immerhin bis mindestens 2020 sollen die Instrumente von Voyager noch ihre Daten zur Erde zurücksenden.
(NASA/JPL, 17.12.2014 – NPO)