Überraschender Effekt: Wer Klimakonferenzen für gerecht hält, ist weniger zu eigenen Beiträgen zum Klimaschutz bereit. Zu diesem scheinbar widersprüchlichen Ergebnis kommt eine Studie deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Sie zeigt aber auch, dass viele Menschen durchaus bereit sind, ihre Gewohnheiten zum Wohle des Klimas umzustellen – Politiker sollten jedoch auch auf Überraschungen gefasst sein, wenn sie für mehr Klimaschutz werben.
Die Klimakonferenz der Vereinten Nationen findet jedes Jahr statt – seit Anfang Dezember tagt der diesjährige Gipfel im peruanischen Lima. Erneut verhandeln Politiker aus aller Welt über nötige Klimaschutz-Ziele und wie sie sich erreichen lassen. Doch beeinflussen die großen Klimakonferenzen auch, wie sehr jemand privat bereit ist, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten?
Wem Klimaschutz wichtig ist, der tut auch etwas dafür
Das Team um den Wirtschaftswissenschaftler Andreas Ziegler von der Universität Kassel befragte dazu mehr als 2.000 repräsentativ ausgewählte US-Amerikaner und Deutsche. In der Online-Umfrage konzentrierten sich die Forscher zunächst auf drei Fragen: Ist internationale Klimaschutz-Politik generell gerechtfertigt und notwendig? Haben bei internationalen Klimakonferenzen alle Länder gleichberechtigte Chancen, ihre Interessen einzubringen?
Und schließlich fragten die Wissenschaftler nach dem Vertrauen in solche Konferenzen, ob die Befragten glauben, dass die dort beschlossenen Maßnahmen tatsächlich effektiv umgesetzt werden. Außerdem machten die Teilnehmer Angaben zu ihrem eigenen Konsumverhalten. Besonderes Augenmerk legten die Forscher dabei auf klimaschützende Maßnahmen wie das Energiesparen zuhause, ein spritsparendes Auto zu kaufen oder weniger Fleisch und Milchprodukte zu essen.
Überraschender Gegeneffekt
Das erste Resultat der Umfrage bestätigt die Erwartungen: „Diejenigen, die die internationale Klimapolitik grundsätzlich für wichtig erachten, möchten auch persönlich mehr für den Klimaschutz tun“, fasst Ziegler zusammen.
Dann folgt jedoch die Überraschung: Wer davon ausgeht, dass es bei internationalen Klimaverhandlungen gerecht zugeht, ist seltener bereit, auch persönlich etwas für den Klimaschutz zu tun. Besonders deutlich tritt dieser Zusammenhang in den USA auf. In Deutschland betrifft er nur Energiesparmaßnahmen zu Hause. Ebenfalls interessant ist, dass das Vertrauen in die Beschlüsse eines Klimagipfels keinen messbaren Einfluss hatte. Ob eine Klimakonferenz brauchbare Ergebnisse liefert, ist demnach für das private Klimaschutzverhalten offenbar unbedeutend.
Zusammenhänge rätselhaft
Warum diese Effekte auftreten, ist bisher unklar. Auch die Forscher haben noch Schwierigkeiten, hier Ursache und Wirkung zuzuordnen. „Wir stellen hier lediglich eindeutige Korrelationen fest“, so Ziegler. „Kausale Effekte sollte man in weiteren Studien untersuchen.“
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Die Forscher spekulieren jedoch, dass eine generell größere Akzeptanz internationaler Klimapolitik auch die persönliche Bereitschaft zu eigenen Beiträgen erhöht – für Klimapolitik zu werben hätte also einen doppelten Nutzen. Uninteressierte könnten sich dagegen möglicherweise beruhigt fühlen, wenn die Verhandlungen gut laufen – nach dem Motto: „Es geht alles gerecht zu, die Politik wird’s schon richten.“
Das aber bedeutet, dass die Politik hier möglicherweise verstärkt gegensteuern sollte: „Gleichzeitig sollte die Politik überlegen, wie sie es kompensieren kann, dass freiwillige Klimaschutzaktivitäten möglicherweise zurückgehen, wenn Klimaverhandlungen gerechter gestaltet werden – was grundsätzlich ja wünschenswert ist“, so Ziegler.
Geringe Bereitschaft zum Verzicht
Generell ist in Deutschland die Bereitschaft etwas höher, sich persönlich für den Klimaschutz zu engagieren. Deutsche und US-Amerikaner setzen dabei jedoch dieselben Prioritäten: In beiden Ländern sind Versuchsteilnehmer am ehesten bereit, zuhause Energie zu sparen und sparsame Haushaltsgeräte anzuschaffen. Der Kauf eines spritsparenden Autos und der Umstieg auf erneuerbare Energien sind für viele der Befragten vorstellbar, stoßen aber auf deutlich weniger Zustimmung. Weniger tierische Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, kommt dagegen bestenfalls für die Hälfte der Teilnehmer in Frage.
Während der Klimaschutz zwar auch als große Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen gilt, beeinflusste die Anzahl ihrer Kinder die Befragten interessanterweise nicht in ihrer Bereitschaft zum Klimaschutz und auch das Alter wirkte sich nicht aus. Frauen scheinen allerdings etwas aufgeschlossener gegenüber persönlichen Klimaschutz-Maßnahmen als Männer und höher gebildete Teilnehmer aufgeschlossener als Menschen mit einem niedrigen Bildungsabschluss.
(Universität Kassel, 10.12.2014 – AKR)