Physik

Supraleitung bei Raumtemperatur entschlüsselt

Laserpuls hilft Elektronen beim Durchtunneln und ermöglicht so verlustfreie Leitung

Widerstandslos bei Raumtemperatur: Die resonante Anregung von Sauerstoff-Schwingungen (unscharf) zwischen CuO2 Doppelschichten (hellblau, Cu gelborange, O rot) mit kurzen Lichtblitzen führt zu einer kurzzeitigen Verschiebung der Atome im Kristallgitter weg von ihren Gleichgewichtspositionen. Diese Verschiebung bringt es mit sich, dass sich die Abstände von CuO2-Ebenen innerhalb einer Doppelschicht vergrößern und die Abstände zwischen Doppelschichten gleichzeitig verkleinern. Dies verstärkt höchstwahrscheinlich die Supraleitung © MPI für Struktur und Dynamik der Materie / Jörg Harms

Stromfluss ohne Widerstand: Der Traum von verlustfreier Stromleitung ist einen Schritt näher gerückt. Denn Forscher haben nun herausgefunden, wie und warum eine Supraleitung bei Raumtemperatur tatsächlich funktioniert. Bisher gelingt dies im Experiment nur wenige millionstel Mikrosekunden lang. Doch die neuen Erkenntnisse könnten dabei helfen, gezielt Materialien zu entwickeln, die dies länger können, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Supraleiter können elektrischen Strom ohne jeden Widerstand und damit verlustfrei transportieren. In manchen Nischen kommen sie bereits zum Einsatz, etwa als Magneten für Kernspintomographen oder Teilchenbeschleuniger. Allerdings müssen die Materialien dafür auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt werden. Bei den meisten Metallen benötigt man dafür Werte knapp oberhalb des absoluten Nullpunkts bei minus 273 Grad Celsius, sogenannte Hochtemperatur-Supraleiter leiten Strom bereits bei Temperaturen von etwa minus 200 Grad Celsius verlustfrei.

Tunnelnde Elektronenpaare

Einer dieser keramischen Hochtemperatur-Supraleiter ist Yttrium-Barium-Kupferoxid (YBCO). Dieses zählt zu den aussichtsreichsten Materialien für technische Anwendungen wie supraleitende Kabel, Motoren und Generatoren. Grund für seine günstigen Eigenschaften ist die Struktur des YBCO-Kristalls: Dünne Doppelschichten aus Kupferoxid wechseln sich mit dickeren Zwischenlagen ab, die neben Kupfer und Sauerstoff auch Barium enthalten.

In den Kupferdioxid-Doppelschichten können sich Elektronen zu sogernannten Cooper-Paaren zusammenfinden und zwischen verschiedenen Lagen „tunneln“. Sie können diese Lagen damit durchqueren wie Geister eine Wand – ein typischer Quanteneffekt. Unterhalb einer kritischen Temperatur tunneln diese Cooperpaare auch durch die dickeren Lagen hindurch zur nächsten Doppelschicht – das Material wird supraleitend.

Laserblitz erzeugt Supraleitung – bei Raumtemperatur

Doch im Jahr 2013 dann sorgte ein Experiment für Überraschung: Mit Hilfe von kurzen Infrarot-Laserblitzen war es Forschern erstmals gelungen, YBCO bei Raumtemperatur supraleitend zu machen – wenn auch nur für wenige millionstel Mikrosekunden. Offenbar hatte das Laserlicht die Kopplung zwischen den Doppelschichten im Kristall verändert. Der genaue Mechanismus aber blieb unklar – bis jetzt. Denn Roman Mankowsky vom Max-Planck Institut für die Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg und seinen Kollegen ist es nun gelungen, die Physik hinter der Supraleitung bei Raumtemperatur zu entschlüsseln.

In der Linac Coherent Light Source wird Röntgenlicht zu kohärenten Pulsen - und mit diesen lassen sich Moleküle analysieren. © LCLS

Dafür wiederholten sie das Experiment an der Linac Coherent Light Source (LCLS) in Stanford, dem stärksten Röntgenlaser der Welt. „Zunächst schickten wir erneut einen Infrarotblitz in den Kristall, er regte bestimmte Atome zu Schwingungen an“, erläutert Mankowsky. „Kurz darauf schickten wir einen kurzen Röntgenblitz hinterher, um die genaue Kristallstruktur des angeregten Kristalls zu vermessen.“

Trennschicht wird dünner

Das Ergebnis: Der Infrarotblitz hatte die Atome nicht nur in Schwingungen versetzt, sondern zusätzlich ihre Position im Kristall verschoben. Dadurch wurden die Kupferdioxid-Doppelschichten kurzzeitig um zwei Pikometer – ein Hundertstel Atomdurchmesser – dicker, die Lage zwischen ihnen um denselben Betrag dünner. Das wiederum erhöhte die Quanten-Kopplung zwischen den Doppelschichten so stark, dass der Kristall für wenige Pikosekunden bei Raumtemperatur supraleitend wurde.

Diese Erkenntnis bestätigt, dass eine Supraleitung bei Raumtemperatur tatsächlich möglich ist und wie sie funktioniert. „Zum anderen könnte es Materialforscher dabei unterstützen, neue Supraleiter mit höheren Sprungtemperaturen zu entwickeln“, sagt Mankowsky. „Bis hin zum Traum eines Supraleiters, der bei Raumtemperatur funktioniert und ganz ohne Kühlung auskommt.“

Bislang müssen supraleitende Magnete, Motoren und Kabel noch mit flüssigem Stickstoff oder Helium auf extreme Minusgrade gebracht werden. Könnte man auf diese aufwendige Kühlung verzichten, könnte das für die Technik einen Durchbruch bedeuten. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13875)

(Max-Planck-Gesellschaft, 04.12.2014 – NPO)

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