Physik

Whiskey-Kunst verblüfft Physiker

Physikalischer Effekt erzeugt faszinierende Muster in eintrocknenden Tropfen

Diese faszinierende Landschaft entstand, als ein Tropfen Glenlivet-Whiskey verdunstete © Ernie Button

Skurrile Physik: Farbige Ringe, gerippte Landschaften – wenn ein Tropfen Whiskey eintrocknet, dann hinterlässt er faszinierende Muster, wie ein US-Fotograf durch Zufall entdeckt hat. Je nachdem, wie alt der Whiskey ist und wie er reifte, bilden sich jeweils unterschiedliche Abfolgen von Ringen und Flecken. Was physikalisch hinter diesem Phänomen steckt, haben Physiker sich nun genauer angeschaut.

Entdeckt hat der Fotograf Ernie Button das Phänomen bereits vor acht Jahren, als er zufällig ein Glas mit eingetrockneten Whiskey-Tropfen genauer anschaute. Am Boden sah er leicht kalkige, feine Ringe und Streifen. „Es ist unendlich faszinierend für mich, dass eine scheinbar klare Flüssigkeit ein Muster solcher Klarheit und mit so viel Rhythmus liefert, nachdem die Flüssigkeit verdunstet ist“, so Button. Er vermutete, dass die Muster etwas mit der Zusammensetzung der Whiskeys zu tun haben müssen.

Muster abhängig von der Whiskeysorte

Als Button mit verschiedenen Whiskeysorten experimentierte, zeigten sich tatsächlich deutliche Unterschiede: Junge, nur rund ein Jahr gereifte Sorten hinterließen kaum Muster, der amerikanische Bourbon hingegen schon. Ältere Single Malt Whiskeys funktionierten meistens, bei einigen schien es aber auf die Herkunft anzukommen: Die torfigen Sorten von der Küste Westschottlands – beispielsweise von den Inseln Islay und Skye – produzierten mal Ringe, mal nicht, die milden Whiskeys vom River Spey im Osten Schottlands hingegen jedes Mal.

Um mehr über die physikalischen Hintergründe zu erfahren, wandte sich Button an den Strömungsdynamiker Howard Stone und seine Kollegen von der Princeton University. Diese hatten schon zuvor am Kaffee-Ring-Effekt geforscht, einem Muster, das auftritt, wenn Flüssigkeiten mit geringen, darin enthaltenen Mengen von Schwebteilchen trocknen.

Verdunstender Macallan-Whiskey hinterließ dieses farbenfroh ins Licht gesetzte Muster © Ernie Button

Wechselwirkungen von Alkohol und Wasser

Im Falle des Whiskeys konnte dieser Effekt die Muster aber nicht vollständig erklären, denn dieser enthält nur sehr wenige Feststoffe. Die Forscher vermuteten daher, dass die Muster auf Unterschieden im Verhalten von Alkohol und Wasser zurückgehen müssen. Whiskey ist eine Mischung aus beiden, typischerweise etwa im Verhältnis von rund 40 Prozent Ethanol und 60 Prozent Wasser.

„Zu unserer Überraschung gibt es nur sehr wenige Studie über die Verdunstung von Tropfen einer Alkohol-Wasser-Lösung und die dabei entstehenden Strömungsmuster“, erklärt der Physiker Hyoungsoo Kim. Daher führten die Forscher eigene Experimente durch, sowohl mit Whiskey als auch mit Alkohol-Wasser-Lösungen. Sie ließen Tropfen trocknen, zeichneten das Verhalten der Flüssigkeit mit Hilfe von speziellen Mikroskop-Kameras auf und analysierten die Strömungen unter anderem mit Hilfe der sogenannten Particle Image Velocimetry.

Zarte Ringe, fast ähnlich einer Flechte oder einem Pilz, hinterließ hier ebenfalls ein Macallan © Ernie Button

Der Marangoni-Effekt – mit ein paar Eigenheiten

Wie sich zeigte, spielt für die Muster der Marangoni-Effekt eine wichtige Rolle. Er verursacht Konvektionsströmungen in Flüssigkeiten, die weg von Bereichen mit niedrigerer Oberflächenspannung hin zu Bereichen höherer gehen. Konkret bedeutet dies: Das Ethanol im Whiskey-Tropfen hat eine geringere Oberflächenspannung, im Tropfen entstehen dadurch komplexe Strömungen, wie die Forscher berichten.

Das Ethanol beginnt im Tropfen als erstes zu verdunsten und erzeugt in der Restflüssigkeit ringförmige Strömungen, wie die Physiker beobachteten. Dadurch entstehen ringförmige, mit Wasser und Reststoffen angereicherte Bereiche. Im Laufe des Trocknens entstehen so die ringförmigen Muster. „Die Alkohol-Wasser-Lösung zeigt beim Trocknen zirkuläre Strömungsmuster, die vom Marangoni-Effekt verursacht werden“, erklärt Kim. Allerdings: Ihre einfache Alkohol-Wasser-Lösung konnte die Vielfalt und Kunstfertigkeit der Whiskeymuster nicht nachbilden.

Der Marangoni-Effekt allein reicht offenbar nicht aus, um die Muster zu erklären. „Die verschiedenen Ablagerungsmuster beim Whiskey kommen von der geringen Menge an Stoffen, die beim Herstellungs- und Reifungsprozess hineinkommen.“ So enthält Whiskey geringe Mengen eines natürlichen Tensids, das die Oberflächenspannung zusätzlich senkt, außerdem fädige Polymere, die die streifenartigen Muster erzeugen, wie die Forscher feststellten. Erst die individuelle Mischung einer Whiskeysorte ist daher für das faszinierende Kunstwerk verantwortlich. (67th Annual Division of Fluid Dynamics)

(American Institute of Physics (AIP), 28.11.2014 – NPO)

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