Länger als eine Million Jahre kann die Geburt eines Sterns aus einer Gaswolke dauern – viel länger als bisher vermutet. Zu diesem Ergebnis kam ein internationales Team von Astronomen mit Hilfe einer neuen „chemischen Uhr“. Bisherige Modelle zur Sternentstehung können nun verbessert werden, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Nature“.
Die Geburt neuer Sterne ist in wörtlichem Sinne nebulös: Gewaltige interstellare Gasnebel ziehen sich immer weiter zusammen, bis in ihrem Kern eine Fusionsreaktion einsetzt und das Sternenfeuer zündet. Die Gaswolken in Regionen, wo neue Sterne entstehen, bestehen zum größten Teil aus Wasserstoff, mit geringen Anteilen von Helium und verschiedenen weiteren Gasen. Die genauen Bedingungen, die für die Sternentstehung erforderlich sind, sind noch unklar. Auch der nötige Zeitraum ist nicht bekannt – der Prozess dauert länger, als es moderne Menschen auf der Erde gibt, so viel war bisher klar.
Gasmoleküle bilden chemische Uhr
Astronomen um Jürgen Stutzki von der Universität Köln haben diesen Zeitrahmen nun genauer vermessen. Dabei nutzten sie eine sogenannte chemische Uhr: Während eine Gaswolke sich zusammenzieht, steigt die Dichte an und dies beeinflusst auch den energetischen Zustand der Gasmoleküle. Beim Wasserstoff ändert sich dadurch das Verhältnis zweier solcher Spinzustände mit steigendem Alter der Gaswolke. Dieses Verhältnis lässt sich anhand der von der Wolke ausgesendeten Strahlung messen – und dient den Forschern so als chemische Uhr.
Das erstaunliche Ergebnis: Mindestens eine Million Jahre dauert die Entstehung von Sternen – sehr viel länger, als die bisherigen Theorien vermuten ließen. Dies zeigten kombinierte Beobachtungen der Sternenwiege RAS 16293-2422 im Sternbild Ophiuchus, rund 400 Lichtjahre von der Erde entfernt. Eine Gruppe sehr junger, sonnenähnlicher Sterne in dieser Region ist weniger als 100.000 Jahre alt – nach astronomischen Maßstäben handelt es sich um Neugeborene.
Chemische Uhr tickt über eine Million Jahre
Die dichten Zentren der Wolken, aus denen diese Sterne hervorgingen, haben der chemischen Uhr zufolge jedoch bereits eine Entwicklung von über einer Million Jahre hinter sich. Die ersten Schritte einer Sternengeburt dauern demnach viel länger als angenommen. Vorherige Messungen anderer Sternentstehungsregionen hatten darauf hingedeutet, dass der Prozess nur wenige hunderttausend Jahre dauert. Anhand der neuen Daten können die bisherigen Modelle nun überprüft und verfeinert werden.
Aufzeichnen konnten die Wissenschaftler diese Daten unter anderem dank der fliegenden Sternwarte SOFIA. Mit diesem Flugzeug maßen sie die Emissionen sogenannten para-Wasserstoffs. Diese werden von der Atmosphäre absorbiert und sind auf dem Boden daher nur extrem schwer zu messen. Erst in Laborexperimenten konnten Forscher die korrekten Messfrequenzen bestimmen. Anhand dieser Ergebnisse entwickelten die Wissenschaftler das Messinstrument GREAT (German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies), mit dem sie SOFIA ausstatteten. Weitere Daten stammten vom APEX-Teleskop in Chile.(Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13924)
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 19.11.2014 – AKR)