Blick zu den Sternen: Eine kostenlose Smartphone-App macht jeden Interessierten zum Lichtforscher. Mit den so gesammelten Daten erforschen deutsche Wissenschaftler, wie stark die sogenannte Lichtverschmutzung weltweit den Himmel beleuchtet und die Sterne überstrahlt. Denn nicht nur Sterngucker leiden unter dem grellen Licht während der Nacht – die gesundheitlichen Folgen für Mensch und Natur sind noch weitgehend unerforscht.
Ein Drittel aller Deutschen hat noch nie die Milchstraße gesehen. Der Grund dafür ist einfach: Besonders in dicht besiedelten Gebieten überstahlt die nächtliche Beleuchtung den Sternenhimmel. Kann man in einer dunklen Nacht bis zu viertausend Sterne zählen, so bleibt in einer hellen Stadt gerade mal eine Hand voll sichtbar. Tausende Sterne am Firmament zu betrachten, ist ein Erlebnis, dass viele Kinder und Erwachsene kaum noch kennen. „Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen“, befürchtet Franz Hölker vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin.
Blasse Sterne und neue Gesundheitsprobleme
Zusammen mit Kollegen erforscht der Biologe die Folgen dieser sogenannten Lichtverschmutzung. Die genauen Auswirkungen auf Mensch und Ökosysteme sind bislang unbekannt. Licht beeinflusst jedoch die innere Uhr, und verschiedene Studien deuten darauf hin, dass Licht zur Nachtzeit diese Uhr durcheinander bringt. Dies wiederum kann sich negativ auf die geistigen Fähigkeiten oder das Körpergewicht auswirken und Depressionen fördern.
Um zahlreiche und präzise Daten zu sammeln, setzen die Wissenschaftler auch auf die Hilfe der Bürger: Mit einer kostenlosen Smartphone-App kann sich jeder am Projekt „Verlust der Nacht“ beteiligen. „Mithilfe von Referenzsternen ermitteln Bürgerwissenschaftler die Himmelshelligkeit an jedem beliebigen Ort der Erde“, erklärt Christopher Kyba vom IGB Berlin wie die App funktioniert. Astronomische Vorkenntnisse brauche man dafür nicht. „Wer mitmacht, lernt dabei den Sternenhimmel kennen und bekommt ein Gefühl dafür, wie viele Sterne er an einem dunkleren Ort noch sehen könnte“, verspricht Kyba.
Bürgerwissenschaftler sind unverzichtbar
Die App ist mittlerweile in 15 Sprachen für Android und iOS verfügbar. In der jüngsten Version der App werden die Messungen direkt überprüft. Der Nutzer erfährt, wie viele Sterne über ihm am Himmel stehen und wie gut seine Beobachtungen waren. Ein zusätzlicher Clou: Kurz nach der Messung sind die Daten auf der Weltkarte von GLOBE at Night sichtbar. „Gerade die Zeit zwischen dem 11. und 24. November eignet sich hervorragend für Messungen“, gibt Christopher Kyba Interessierten als Rat mit auf den Weg. Dann gäbe es kaum Mondlicht, umso mehr Sterne seien sichtbar.
Dank der vielen Bürgerwissenschaftler können die Forscher sehen, wie sich der Himmel angesichts sich wandelnder Beleuchtungstechnologien und wachsender Städte verändert. „Die App ist für uns die einzige Möglichkeit, solche Entwicklungen weltweit zu beobachten und besser zu verstehen“, sagt Hölker. Bislang ermittelten Wissenschaftler die nächtliche Helligkeit nämlich hauptsächlich mit Hilfe von Satelliten. Diese messen aber nur das nach oben abgestrahlte Licht – wie Menschen und andere Organismen am Boden diese Helligkeit erleben, bleibt für die Satelliten unsichtbar. „Man könnte dies theoretisch zwar auch mit Modellen erreichen“, erklärt Hölker, „doch um diese zu testen, sind Vergleichsdaten nötig – und genau solche liefert die App.“
(Forschungsverbund Berlin e.V., 11.11.2014 – AKR)