Gesten steuern Molekülpinzette: Deutsche Forscher haben eine neue Technik entwickelt, mit der nun auch größere Moleküle gezielt und einzeln manipuliert werden können. Der Clou dabei: Die sensible Spitze eines Rastertunnel-Mikroskops wird dabei per Gestensteuerung kontrolliert. Das ermöglicht flexiblere Bewegungen als bisher. Als Test konstruierten die Forscher einen Schriftzug aus nur 47 Molekülen.
Schon seit längerem suchen Forscher nach einer Technik, mit der sich auch größere Moleküle frei verschieben und wie mit einer Nanopinzette frei zu komplexeren Strukturen zusammensetzen lassen. Denn ein solches Bausteinsystem gilt als entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung neuartiger elektronischer Bauteile der nächsten Generation. Atome auf diese Weise zu versetzen, gelingt beispielsweise mit Rastertunnelmikroskopen schon länger. Doch gerade die Bindungskräfte von Molekülen, die ringsum an ihre Nachbarmoleküle gebunden sind, lassen sich kaum exakt vorhersagen.
Handbewegung steuert Mikroskop-Spitze
Matthew Green vom Forschungszentrum Jülich und seine Kollegen haben nun eine neue Ansteuerung für Rastertunnelmikroskope entwickelt, die es ihnen ermöglicht, auch einzelne große Moleküle interaktiv mit der Hand zu verschieben. Der Trick dabei: Sie nutzen eine Art Gestensteuerung. Mittels Bewegungserkennung ist die Hand des Operators direkt mit dem Rastertunnelmikroskop gekoppelt. Er kann so durch Handbewegungen dessen Spitze steuern und damit Moleküle anheben und wieder absetzen wie mit einem Kran.
Mit einer Übersetzung von 500 Millionen zu Eins werden die groben menschlichen Bewegungen dabei in atomare Dimensionen übertragen. „Eine Verschiebung der Hand um fünf Zentimeter bewirkt, dass sich die feine Spitze des Rastertunnelmikroskops gerade einmal um einen Angström über die Probe bewegt. Das entspricht der typischen Größenordnung von Atomradien und Bindungslängen in Molekülen“, erklärt Ruslan Temirov vom Jülicher Peter Grünberg Institut.
Schreibfehler lassen sich korrigieren
Die Steuerung braucht allerdings etwas Übung. „Der erste Versuch, ein Molekül abzulösen, dauerte noch 40 Minuten. Danach waren es nur noch um die 10 Minuten“, berichtet Green. Insgesamt vier Tage brauchte der Doktorand, um 47 Moleküle zu entfernen und damit das Wort „JÜLICH“ in eine einlagige Schicht des organischen Halbleiters Perylentetracarbonsäuredianhydrid (PTCDA) zu schreiben.
Sogar kleine „Schreibfehler“ ließen sich mit der neuen Methode problemlos korrigieren. Ein versehentlich herausgegriffenes Molekül beim Querstrich des „H“ konnte Green einfach durch ein neues Molekül ersetzen, das er vom Rand der Schicht abgelöst hatte. „Genau hier zeigt sich der Vorteil der Methode. Der Experimentator kann in den Vorgang eingreifen und nach einer Lösung suchen, wenn sich ein Molekül versehentlich löst oder ungeplant wieder an seine ursprüngliche Position zurückspringt“, so der Physiker.
„Mit dem Verfahren lassen sich erstmalig große organische Moleküle kontrolliert aus zusammenhängenden Strukturen herausgreifen und neu platzieren“, erläutert Temirov. In Zukunft soll ein selbstlernender Computer die aufwendige Molekül-Manipulation übernehmen. Damit dieser entsprechend programmiert werden kann, müssen die Jülicher Forscher jedoch noch weitere Erfahrungen mit der Handsteuerung sammeln. (Beilstein Journal of Nanotechnology, 2014; doi: 10.3762/bjnano.5.203)
(Forschungszentrum Jülich, 03.11.2014 – NPO)