Farbige Lauge zeigt den Weg: Statt GPS und Navi könnte künftig auch ein chemischer Routenplaner zum Einsatz kommen. Wie das funktioniert, hat ein Forscherteam jetzt demonstriert. Eine farbige Lauge sucht dabei in einem Kartenlabyrinth von selbst den kürzesten Weg zu dem mit Säure markierten Ziel. Das geht sogar schneller als bei herkömmlichen Navis und zeigt auch Parallelwege. Der chemische Routenplaner könnte daher künftig in der Verkehrsplanung und in der Logistik von Nutzen sein.
Um den richtigen Weg zu finden, braucht man nicht immer GPS, Karte oder Kompass. Was heutigen Navigationscomputern eine enorme Rechenleistung abverlangt, lässt sich auch erreichen, indem man sich die Gesetze der physikalischen Chemie zu Nutze macht und sogenanntes Chemical Computing betreibt. Kohta Suzuno von der Meiji Universität in Tokio und seine Kollegen haben dies nun in einem Experiment demonstriert.
Der Trick funktioniert folgendermaßen: Am Ausgang eines mit alkalischer Flüssigkeit gefüllten Labyrinths – also am Zielort – wird ein mit Säure versetztes Gel angebracht. Innert kurzer Zeit verteilt sich die Säure im noch alkalischen Irrgarten, der Großteil davon bleibt allerdings zusammen mit dem Gel am Ausgang. Gibt man nun an das andere Ende des Labyrinths, am Eingang, eine mit Farbstoffen versehene Lauge, sucht sich diese automatisch den Weg zum Ausgang – den Ort mit dem höchsten Säuregehalt.
Lauge sucht selbst den kürzesten Weg
Das Ganze basiert auf dem sogenannten Marangoni-Effekt. Dieser tritt ein, wenn die im Labyrinth verteilte Säure mit der neu hinzugegebenen, gefärbten Lauge reagiert. Die Lauge wird vom Gemisch aus alkalischer Flüssigkeit und der Säure im Labyrinth abgestoßen und zur Säurequelle am Ausgang geschoben. Dabei hinterlässt sie durch ihre Färbung eine deutliche Spur.
Der entscheidende Vorteil dabei: Die gefärbte Lauge wählt dabei vornehmlich den kürzesten Weg. Alternative Wege werden aber auch beschritten – nur mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit und damit schwächerer Farbspur. „Der Vorteil dieses chemischen Rechners gegenüber seinem elektronischen Pendant ist, dass er alle möglichen Wegvarianten nahezu parallel findet, während ein Computer eine Möglichkeit nach der anderen sukzessive durchrechnet, was unter dem Strich länger dauert“, erklärt Koautorin Rita Tóth vom Empa im schweizerischen Dübendorf.
Der Weg zur Pizzeria in Budapest
Einen Test für einen Alltagseinsatz hat das Verfahren sogar schon bestanden: Die Forscher konstruierten dazu ein etwas größeres Labyrinth nach dem Vorbild eines Stadtviertels in Budapest. Das Ziel der Lauge markierte dabei den Standort einer Pizzeria. Und tatsächlich funktionierte das chemische Navi wunderbar: Die farbige Spur zeigte prompt den kürzesten Weg zur Pizzeria – auch nicht anders als der Routenplaner auf dem Smartphone.
So könnte das System später auch einmal bei der Verkehrsplanung Verwendung finden. In Hirnforschung, Psychologie, Netzwerkforschung und Robotik sieht Projektleiterin Tóth weitere Anwendungsgebiete. Die Ergebnisse des Teams stoßen jedenfalls bereits auf breites Interesse: die Arbeit ist eine der meistgelesenen im Fachmagazin „Langmuir“. Als nächsten Schritt will sich das Forschungsteam an noch größere und komplexere Labyrinthe wagen. (Langmuir, 2014; doi: 10.1021/la5018467)
(Empa, 28.10.2014 – NPO)