Einzigartige Funde: Nahe der Stadt Murcia in Spanien haben Archäologen eine mehr als 4.000 Jahre alte Stadt der El Argrar-Zivilisation entdeckt. Neben Gräbern mit reichen silbernen und goldenen Grabbeigaben stießen sie bei den Ausgrabungen auf die älteste bekannte politische Versammlungshalle Westeuropas. Die Gebäude und Infrastrukturen seien einzigartige Beispiele prähistorischer Konstruktionen, erklären die Archäologen.
Während der Bronzezeit lag im Südosten der Iberischen Halbinsel das Zentrum einer bisher kaum bekannten Kultur, der sogenannte El Argar-Zivilisation. Bereits 1944 hatten Archäologen entdeckt, dass auf einem von steilen Abhängen umgebenen Hochplateau in der Region Murcia Überreste einer alten Besiedelung lagen. Erst in den letzten Jahren jedoch wurden diese Relikte genauer untersucht und von Archäologen unter Leitung von Vicente Lull von der Autonomen Universität Barcelona ausgegraben.
Die Forscher stießen dabei auf unerwartet reiche und einzigartige Funde, wie sie nun berichten. Demnach erstreckte sich die einst dicht besiedelte Stadt La Almoloya über mehr als 3.800 Quadratmeter und war mehr als 600 Jahre lang besiedelt – von 2200 bis 1550 vor Christus. Aufgrund ihrer strategisch günstigen Lage muss dieser Ort ein wichtiges Zentrum der Zivilisation gewesen sein, wie die Archäologen berichten.
Erste bronzezeitliche Versammlungshalle Westeuropas
Für die Bedeutung der Stadt sprechen auch gleich mehrere palastartige Residenzen, die jeweils acht bis zwölf Räume umfassen und bis zu 300 Quadratmeter groß sind. Die Wände dieser Paläste bestehen aus gemauerten Steinen, die mit in mehreren Schichten verputzt sind und mit Stuck verziert waren. Neben geometrischen Mustern sind auch Tier- und Pflanzenmotive erkennbar.
Eine absolute Besonderheit aber ist eine rund 70 Quadratmeter große Halle, die einst als Versammlungsraum für politische Treffen oder Anhörungen genutzt worden sein muss: Bänke entlang der Wände boten Sitzplätze für 64 Menschen, an einem Ende der Halle befand sich ein erhöhtes Podium und ein zeremonieller Feuerplatz, wie die Archäologen berichten. „Dies ist das erste Mal, dass in Westeuropa ein Gebäude aus dieser Zeit entdeckt wird, das spezifisch Regierungszwecken diente“, konstatieren die Forscher.
Prinzengrab mit kostbarem Schmuck
Aber es gab noch mehr: Unter den Gebäuden von La Almoloya entdeckten die Archäologen bisher bereits 50 Gräber. Eines davon sticht wegen seiner reichen Grabbeigaben und seiner privilegierten Lage an einer der Wände der Versammlungshalle hervor. In diesem Grab fanden die Forscher die Überreste eines Mannes und einer Frau, umgeben von mehr als 30 Objekten aus Silber, Gold und Halbedelsteinen. Wahrscheinlich handelte es sich um Personen aus dem Herrscherhaus.
So war der Kopf der Frau von einem silbernen Diadem umgeben, einem sehr seltenen Fund für das Spanien der Bronzezeit. Um die Skelette herum lagen mehrere Ringe, Armreifen und Ohrringe aus massivem Silber, außerdem einen Bronzedolch mit einem durch Silbernägel verzierten Griff. Ungewöhnlich für die Bronzezeit waren vier Ohrstöpsel, zwei aus Gold, zwei aus Silber. Diese ringartigen Einsätze wurden im durchbohrten Ohrläppchen getragen. Von erstaunlicher Kunstfertigkeit zeugen zudem ein Keramikgefäß mit Silberverzierungen und ein bronzener Dorn mit fein ziseliertem Silbergriff.
„Enorme historische Bedeutung“
Nach Angaben der Archäologen belegen die Funde, dass La Almoloya eines der politischen und wirtschaftlichen Zentren der El Argar-Kultur gewesen sein muss. Zudem erlauben die gut erhaltenen Relikte einen wertvollen Einblick in eine der ersten städtischen Gesellschaften ganz Westeuropas. Vor allem die meisterhaften Konstruktionstechniken seien einzigartige Beispiele prähistorischer Baukunst, so die Forscher.
Ihren Wert erhalten die Funde aber auch dadurch, dass sie weitestgehend intakt und im ursprünglichen Kontext erhalten sind. Die meisten Gräber samt Inhalt scheinen beispielsweise noch genauso erhalten zu sein, wie sie einst angelegt wurden. Die Archäologen hoffen daher, in La Almoloya einige der Antworten zur El Argar-Zivilisation zu finden, die bisher offen blieben.
(Universitat Autònoma de Barcelona, 10.10.2014 – NPO)