Klima

Regenwälder setzen mehr CO2 frei als vermutet

Effekt durch zerstückelte Waldflächen ist in Klimamodellen bislang nicht berücksichtigt

Die Luftaufnahme zeigt Waldfragmente des Brasilianischen Atlantischen Regenwaldes im Nordosten Brasiliens, umgeben von Zuckerrohrplantagen. © Mateus de Dantas de Paula

Geschwächte Pufferwirkung: Die Rodung tropischer Regenwälder könnte sich stärker auf das Klima auswirken als bisher angenommen. Denn auch die fragmentierten Waldreste können weniger Kohlendioxid aufnehmen und binden als der intakte Wald. Dadurch schwinden die Regenwälder als CO2-Senke noch weiter, wie Forscher im Journal „Nature Communications“ berichten.

Die tropischen Regenwälder gelten als „grüne Lunge“ der Erde: Sie nehmen jährlich eine gewaltige Menge Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und binden diesen Kohlenstoff beim Aufbau von Biomasse. Dadurch wirken sie als CO2-Senken im Klimasystem und puffern einen Teil der CO2-Emissionen ab. . Allerdings ist das Ökosystem Regenwald in Gefahr: Immer größere Flächen fallen der Brandrodung zum Opfer, um landwirtschaftlich genutzt zu werden.

Dass dieser Verlust sich auch auf die globale Kohlendioxid-Bilanz auswirkt, ist bereits bekannt. Vernachlässigt wurde bislang allerdings, wie sich die Rodungen auf die Pufferwirkung der übrigen Waldstücke auswirken. Dies haben Wissenschaftler um Sandro Pütz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig nun nachgeholt: Im Amazonasgebiet und im brasilianischen Küstentropenwald Mata Atlântica verglichen sie die zerstückelten Überbleibsel des Regenwalds in den Rodungsgebieten mit großflächigen, unveränderten Wäldern. Dabei verwendeten sie sowohl Satellitenbilder als auch Computersimulationen.

Zersplitterter Regenwald unter Stress

Die Satellitenaufnahmen zeigen bereits das Ausmaß der Zerstörung: Die Regenwälder sind in hundertausende von Fragmenten zersplittert. Dadurch liegen viel mehr Gebiete am Rand des Waldes als bei einer zusammenhängenden Fläche. Und gerade diese Randlage ist es, die den Wäldern zusetzt: Die Sonne strahlt stärker ein, die Temperaturen erhöhen sich und dem Wind bieten sich gute Angriffsmöglichkeiten. Deswegen steigt der Stress für die Bäume in Randlagen, vor allem große Exemplare sterben ab. „Die Mortalität der Bäume nimmt zu, so dass sie nicht so viel Kohlenstoff speichern können wie gesunde Bäume im Zentrum von Wäldern“, erläutert Erstautor Pütz.

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Und das hat Folgen: Computersimulationen zufolge binden die Regenwälder so in zehn Jahren über 600 Millionen Tonnen Kohlenstoff weniger. „Bezogen auf die geringe Gesamtfläche des Küstenwaldes ist das ein enormer Verlust“, konstatiert Pütz. Vermeidbar ist dies erst ab einer zusammenhängenden Fläche von etwa 10.000 Hektar, erst bei Waldstücken von dieser Größe geht der relative Anteil des zusätzlich freigesetzten Kohlendioxid fast auf null zurück. Im Mata Atlântica jedoch sind neun von zehn der übrig gebliebenen Waldreste vergleichsweise winzige Stückchen von weniger als 100 Hektar.

Zusätzliche 0,2 Milliarden im Jahr

Wie hoch sind nun die weltweiten Auswirkungen auf dem Kohlenstoffhaushalt? Auch diesen Effekt berechneten Pütz und Kollegen erstmals. Die Kohlenstoffmenge in der Atmosphäre von derzeit rund 830 Milliarden Tonnen nimmt nach gegenwärtigen Modellen jährlich um vier Milliarden Tonnen zu. Etwa ein Viertel davon stammt allein aus der weltweiten Rodung der Wälder – so die bisherige Kalkulation.

Dazu kommen nun weitere 0,2 Milliarden Tonnen jährlich aus den fragmentierten Waldrandgebieten hinzu, wie die Forscher berichten. „Das ist ein vergessener Prozess im globalen Kohlenstoffkreislauf der Vegetation“, bedauert Studienleiter Andreas Huth. Auch in den Berichten des Weltklimarats IPCC sei dieser Aspekt derzeit nicht direkt berücksichtigt. „Dabei sollte man diesen Effekt dringend berücksichtigen“, fordert der Ökologe.

Anhand ihrer Ergebnisse schlagen die Wissenschaftler praktische Maßnahmen in der Klimaschutzpolitik vor: Zum einen sei es sinnvoll, bei Rodungen Mindestgrößen für Waldinselflächen von rund 10.000 Hektar festzulegen, weil dann an den Rändern der relative Verlust von Kohlenstoff nur minimal ist. Zum anderen sollten künftig die Randgebiete und nicht das Innere von Wäldern forst- oder landwirtschaftlich genutzt werden, da dort der Verlust der Biomasse nicht zu sehr ins Gewicht fällt. In weiteren Studien wollen die Forscher noch genauer untersuchen, wie sich solche schwer abschätzbaren ökologischen Effekte auf kleinem Raum großflächig und global auswirken können.

(Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms6037)

(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), 08.10.2014 – AKR)

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