Galaktische Zusammenstöße: Aus der Kollision zweier Galaxien können offenbar auch scheibenförmige Galaxien hervorgehen. Dies widerspricht der bisherigen Annahme, dass auf diesem Weg allein elliptische Galaxien entstehen – diese sind im Universum jedoch eine Minderheit. Der neu entdeckte Mechanismus könnte erklären, warum es dagegen so viele Spiralgalaxien wie die Milchstraße im Universum gibt.
Galaxien gibt es in zahlreichen unterschiedlichen Erscheinungsformen. Den meisten Menschen schwebt unter „Galaxie“ das typische Bild unserer Milchstraße vor: scheibenförmig und oft mit den charakteristischen Spiralarmen. Daneben gibt es aber auch noch die eher ungeordnet erscheinenden elliptischen Galaxien.
Kollidierende Galaxien fressen sich gegenseitig
Wenn zwei Scheibengalaxien aufeinander treffen, so nahmen Astronomen bisher an, entsteht als Folge der galaktischen Kollision eine ellipsenförmige Galaxie. Während dieser gewaltigen Wechselwirkungen nehmen die Galaxien nicht nur an Masse zu: Während sie miteinander verschmelzen und einander regelrecht auffressen, ändern sie ihre Form und damit auch ihren Typ. Computersimulationen aus den 1970er Jahren unterstützten diese Annahme.
Solche kosmischen Zusammenstöße geschehen – in astronomischen Maßstäben – häufiger als gedacht. Daher müsste eine recht große Anzahl elliptischer Galaxien existieren. Umso verwunderlicher war es daher, dass 70 Prozent der Galaxien scheibenförmig sind. Um die letztendliche Form von Galaxien nach Verschmelzungen zu ermitteln, hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Junko Ueda von der Japanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft die Kollision von Galaxien genauer beobachtet.
Molekulares Gas zeigt Pfannkuchenform
Die Astronomen untersuchten die Verteilung von Gas in 37 Galaxien, die sich in ihrer letzten Verschmelzungsphase befinden. Mit mehreren Radioteleskopen, unter anderem dem Atacama Large Millimeter/sub-millimeter Array (ALMA), analysierten sie die Emission von Kohlenstoffmonoxid (CO), einem Indikator für molekulares Gas.
Dabei erlebten sie eine Überraschung: Ganz entgegen der bisherigen Annahme führten die meisten Zusammenstöße von Galaxien innerhalb von 40-600 Millionen Lichtjahren von der Erde zu scheibenförmigen Galaxien, nicht zu elliptischen. Das umfasst sowohl Spiralgalaxien wie der Milchstraße als auch sogenannte linsenförmige Galaxien. Beide Arten zeichnen sich durch ihre typische „Pfannkuchenform“ aus, die sie durch die charakteristische Verteilung von Gas und Staub gut von der Klasse der elliptischen Galaxien abgrenzt.
Mechanismus für das gesamte Universum?
„Zum ersten Mal gibt es beobachtbare Nachweise für verschmelzende Galaxien, die zu Scheibengalaxien werden könnten“, erklärt Ueda. „Das ist ein großer und unerwarteter Schritt zur Lösung des Rätsels um die Geburt von Scheibengalaxien.“ Neuere Computersimulationen hatten zwar bereits angedeutet, dass bei Galaxien-Kollisionen auch Scheibengalaxien entstehen können. Durch Beobachtungen bestätigt war dies jedoch bis jetzt nicht. Und mehr als das: Eine entstehende Scheibengalaxie scheint nicht nur ein möglicher Ausgang des Szenarios zu sein, sondern eher die Regel – fast alle der untersuchten Kollisionen brachten die typischen pfannkuchenförmigen Gebiete molekularen Gases hervor.
Nichtsdestotrotz gibt es noch viel mehr zu entdecken. „Wir müssen anfangen, uns auf die Sternentstehung in diesen Gasscheiben zu konzentrieren“, ergänzt Ueda, und stellt weitere Arbeit auf diesem Gebiet in Aussicht. Während die Forscher nun eine gute Vorstellung von den Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft haben, herrscht über das weiter entfernte Universum und damit dessen Frühzeit noch Unklarheit. Zwar gibt es auch hier hauptsächlich Scheibengalaxien. Ob dafür Galaxienverschmelzungen oder andere Ursachen wie etwa in die Galaxie einfallendes Gas verantwortlich sind, wollen die Astronomen als nächstes herausfinden. „Vielleicht haben wir einen allgemeinen Mechanismus gefunden, der für die gesamte Geschichte des Universums gilt.“
(Max-Planck-Institut für Astronomie, 17.09.2014 – AKR)