Medizin

Höheres Asthma-Risiko durch Weichmacher

Phthalate aus Kunststoffprodukten schädigen besonders ungeborene Kinder

Kunststoffspielzeug wird zunehmend ohne Phthalate hergestellt - die Weichmacher sind dennoch überall auffindbar. © freeimages

Weichmacher als Krankmacher: Die in Kunststoffprodukten allgegenwärtigen Phtalate führen bei Kindern offenbar zu einem deutliche erhöhten Risiko, an Asthma zu erkranken. Dieses Ergebnis fanden US-Forscher in einer Langzeitstudie an schwangeren Frauen und deren Kindern. Im Fachmagazin „Environmental Health Perspectives“ fordern die Wissenschaftler bessere Aufklärung über die möglichen Gefahren dieser Zusatzstoffe.

Ungeborene Kinder im Mutterleib sind vor vielen Gefahren geschützt – anderen dagegen sind sie hilflos ausgeliefert. Bestimmte Substanzen können problemlos aus dem Blut der Mutter in den Blutkreislauf des Kindes übertreten. Zu diesen Stoffen gehören auch die Phthalate. Diese Weichmacher kommen in zahlreichen Kunststoffprodukten vor, von Plastikschüsseln über Fußbodenbeläge und Insektenschutzmittel bis hin zu synthetischen Aromen – sie sind geradezu allgegenwärtig. Der typische „Neuwagengeruch“ stammt von Phthalaten aus den Kunststoffkonsolen und Lenkrädern neuer Autos.

Asthma und ähnliche Symptome bei hohen Phthalat-Werten

Lange Zeit galten Phthalate als gesundheitlich unbedenklich – die wahren Folgen waren jedoch nicht besonders intensiv erforscht. Mittlerweile genießen die Weichmacher keinen besonders guten Ruf mehr, in den USA etwa ist ihr Einsatz in Kinderspielzeugen seit 2008 nicht mehr gestattet. Da Phthalate aber praktisch überall vorkommen, ist es nahezu unmöglich, ungeborene Kinder davor zu schützen.

Wissenschaftler unter der Leitung von Rachel Miller vom Klinikum der Columbia University in New York haben darum in einer Langzeitstudie untersucht, welche Folgen eine hohe Menge an Phthalaten auf Kinder während ihrer Entwicklung haben kann. Besonderes Augenmerk legte sie dabei auf Asthmaerkrankungen, die in den letzten Jahren kontinuierlich häufiger auftreten. Im Rahmen der Studie begleiteten die Forscher 300 schwangere Frauen und später deren Kinder. Anhand von Urinproben analysierten sie, in welchem Umfang die Kinder verschiedenen Phthalaten ausgesetzt waren. Außerdem beobachteten sie, wie viele Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren Asthma oder asthma-ähnliche Symptome entwickelten.

Inhalator: Rettung bei Asthma-Anfällen © Magnus Manske / (CC BY-SA 3.0)

Das Ergebnis viel drastisch aus: Zeigten die Mütter während der Schwangerschaft hohe Werte der Stoffe Butylbenzylphthalat (BBzP) oder di-n-Butylphthalat (DnBP), so war das Asthmarisiko der Kinder um 72 Prozent beziehungsweise 78 Prozent erhöht. Insgesamt 94 der Kinder litten im untersuchten Zeitraum an Asthma, weitere 60 zeigten Symptome wie Husten oder Kurzatmigkeit. Auch diese Symptome ließen sich mit DnBP in Verbindung bringen. Allerdings führen offenbar nicht alle untersuchten Phthalate zu so ernsten Folgen: Bei hohen Mengen der Substanzen di-2-Ethylhexylphthalat (DEHP) und Diethylphthalat (DEP) stellten die Wissenschaftler kein erhöhtes Risiko für Asthma fest.

Praktisch hilflos gegen unumgängliche Phthalate

Wie schwer die Phthalate zu meiden sind, zeigen die gesammelten Urinproben: Mit Ausnahme einer einzigen waren in allen Proben von sowohl Müttern als auch Kindern Abbauprodukte der Weichmacher in unterschiedlich hohen Konzentrationen nachweisbar. „Während Mütter alles tun was sie können, um ihr Kind zu schützen, sind sie praktisch hilflos, wenn es um unumgängliche Phthalate wie BBzP und DnBP geht“, sagt Miller, und fordert einerseits bessere Aufklärung über die bislang nur selten deklarierten Phthalate, andererseits verantwortungsvolleren Umgang mit den Weichmachern: „Wenn wir die Kinder schützen wollen, müssen wir die schwangeren Frauen schützen.“

Bereits vor zwei Jahren hatten die Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen hohen Phthalatkonzentrationen und Entzündungen der Atemwege festgestellt. Die jetzige Studie untermauert dieses erhöhte Risiko für Asthma und ähnliche Atemwegserkrankungen. Auf welche Weise die Phthalate zur Erkrankung führen, ist allerdings noch unklar. Die Wissenschaftler vermuten jedoch, dass Stress durch Sauerstoffradikale und damit einhergehende Entzündungsprozesse eine Rolle spielen.

(Environmental Health Perspectives, 17.09.2014 – AKR)

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