Archäologie

Lang gesuchtes Römerkastell entdeckt

Archäologen landen Volltreffer bei einer Grabung im hessischen Gernsheim

Ziegelfragment mit Stempel der 22. Legion mit dem Beinamen „Primigenia Pia Fidelis“. Diese römische Eliteeinheit bildete das strategische Rückgrat der römischen Grenzverteidigung in der Provinz Obergermanien. © Goethe-Universität Frankfurt

Archäologischer Fund: Im hessischen Gernsheim haben Archäologen die Überreste eines alten Römerkastells entdeckt. Schon lange vermutete man, dass die Römer hier eine Siedlung unterhielten, erst jetzt jedoch belegen die neuen Funde die Existenz eines Militärlagers. Es lag damals an einer Kreuzung zweier Römerstraßen und sollte diesen strategischen Punkt vermutlich schützen.

Schon seit dem 19. Jahrhundert wurden in der Nähe der hessischen Stadt Gernsheim immer wieder Fundstücke aus der Römerzeit entdeckt. Sie legten nahe, dass in dieser Gegend einst eine größere römische Siedlung gelegen haben musste, wahrscheinlich in der Zeit vom 1. bis 3. Jahrhundert. Doch Belege für diese Siedlung fehlten, nirgendwo fand man Spuren von Gebäuden. Hinzu kam, dass immer mehr potenzielle Grabungsstellen durch die wachsende moderne Stadt überbaut wurden.

Relikte verraten römisches Militärlager

Am 4. August dieses Jahres startete auf einem der wenigen noch unbebauten Grundstücke eine Lehrgrabung des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Universität Frankfurt am Main. „Nach meiner Kartierung der lokalisierbaren Gernsheimer Fundstellen befinden wir uns ganz am westlichen Rand der Fundkonzentration“, erklärt Grabungsleiter Thomas Maurer. Auf fast allen benachbarten Grundstücken wurden in den 1970er und 80er Jahren römische Objekte gefunden. „Der Platz erschien daher als lohnenswertes Grabungsziel, was sich voll bestätigt hat.“

Ausgrabungen auf dem Gebiet des alten Römerkastells in Gernsheim © Goethe-Universität Frankfurt

Denn im Rahmen dieser Grabung stießen die Archäologen nun auf Überreste eines römischen Militärlagers, darunter charakteristische Schutzgräben und Ziegelsteine mit dem Stempel der 22. Legion darauf. „Wir haben Kiste um Kiste mit Scherben von Fein-, Grob- und Transportkeramik gefüllt“, berichtet Hans-Markus von Kaenel vom Institut für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität. „Ihre Bestimmung wird es erlauben, das Ende des Kastells zeitlich genauer einzugrenzen.“

Kastell in günstiger Lage

Erbaut wurde das Kastell offenbar um 70 nach Christus, um den rechtsrheinischen Raum großflächig in Besitz zu nehmen und die Verkehrsinfrastruktur vom und zum Zentrum Mainz-Mogontiacum auszubauen. Für die große Bedeutung von Gernsheim am Rhein in römischer Zeit spricht seine verkehrsgünstige Lage, hier zweigte eine Straße Richtung Mainlimes von der Route Mainz – Ladenburg – Augsburg ab.

In Gernsheim entdeckter bronzener Pferdegeschirr-Anhänger. Dies könnte darauf hindeuten, dass dort sogar eine Reitertruppe stationiert war. © Goethe-Universität Frankfurt

Die römischen Kastelle hatten in der Regel einen viereckigen Grundriss und waren durch einen Wall und Palisadenzäune oder Mauern geschützt. Die Soldaten schliefen in Schlafsälen, es gab Gemeinschaftsräume und zentrale Latrinen. Die Angehörigen der Soldaten und auch ziviles Personal wie Köche oder Handwerker mussten jedoch draußen bleiben, sie lebten daher meist in Siedlungen, die am Kastell entstanden.

Eine solche Siedlung, Vicus genannt, könnte damals auch am Kastell von Gernsheim bestanden haben. Dies würde die vielen verstreuten Funde im Stadtgebiet erklären. Auch die Existenz eines Rheinhafens wird vermutet, was bisher allerdings nicht bestätigt werden konnte. „Diese Grabungskampagne ist ein echter Volltreffer“, freut sich von Kaenel, „die Ergebnisse stellen einen Meilenstein in der Rekonstruktion der Geschichte des Hessischen Ried in der römischen Zeit dar.“

(Goethe-Universität Frankfurt am Main, 15.09.2014 – NPO)

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