Raumfahrt

Rosetta: Fünf potenzielle Landeplätze ausgewählt

Fünf Gebiete auf dem Kometen 67P kommen als Landestellen für Philae in Frage

Einige der Landeplatz-Kandidaten auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko © ESA/Rosetta/ MPS/ UPD/LAM/ IAA/SSO/ INTA/UPM/ DASP/IDA

Die erste Landung auf einem Kometen rückt näher – und damit die Qual der Wahl in puncto Landeplatz. Fünf potenzielle Landestellen haben Wissenschaftler nun in die engere Wahl genommen, drei am „Kopf“, zwei auf dem „Körper“ des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Wo Philae, die Landeeinheit der ESA-Raumsonde Rosetta dann Mitte November tatsächlich landen wird, entscheidet sich in einigen Wochen.

Noch nie musste ein Missionsteam einen Landeplatz auf einem Kometen auswählen – der Rosetta-Lander Philae wird das erste Gerät überhaupt sein, das auf einem Kometen aufsetzt und vor Ort Messungen durchführt. Und Zielkomet 67P/Churyumov-Gerasimenko ist noch dazu ein ziemlich ungewöhnlich geformter Brocken: Ein kleiner Teil, der „Kopf“, ist über eine Halsregion mit dem größeren Körper verbunden. Diese seltsame Form macht die Suche nach einem passenden Ladeplatz für Philae nicht gerade einfach. Die perfekte Landestelle muss schließlich nicht nur sicher erreichbar sein, sondern auch die notwendigen Voraussetzungen für die geplanten wissenschaftlichen Untersuchungen bieten.

Gut erreichbar, nicht zu sonnig…

„Wenn man die außergewöhnliche Form und die globale Topographie des Kometen sieht, es ist sicherlich keine Überraschung, dass viele Gebiete gleich aus der Auswahl herausfielen“, so Philae-Projektleiter Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). So muss die Landestelle erreichbar sein und einen regelmäßigen Funkkontakt zur Raumsonde gewährleisten, um Betriebskommandos und Daten auszutauschen. Eine möglichst ebene Oberfläche soll zudem eine sichere Landung garantieren. Günstig sind zudem mindestens sechs Stunden Sonnenlicht pro Kometenumdrehung, damit Philae nach der Landung seine Solarzellen aufladen kann. Allerdings darf die Sonne auch nicht zu lange scheinen. Sonst könnte Philae überhitzen.

Aus wissenschaftlicher Sicht wiegen weitere Kriterien schwer. Wo etwa lässt sich die Aktivität des Kometen gut beobachten? Auf seiner Reise in Richtung Sonne erwärmt sich die Oberfläche des Kometen zunehmend. Schon jetzt verdampfen von einigen Stellen leicht flüchtige Gase und reißen Staubteilchen mit sich. „Wir haben bevorzugt Landestellen ausgewählt, die nach unserem momentanen Kenntnisstand die Möglichkeit bieten, die Kometenaktivität quasi hautnah zu untersuchen“, so Böhnhardt.

Philae landet auf dem Kometen (illustration) © ESA/ATG medialab

Fünf Kompromiss-Kandidaten

Allerdings: Den idealen Landeplatz, an dem ein flaches Terrain, genügend Sonnenstunden, eine gute Erreichbarkeit und optimale wissenschaftliche Bedingungen gewährleistet sind, konnten die Forscher auf dem Kometen bisher nicht entdecken – sie mussten daher bei der Auswahl jeweils Vor- und Nachteile abwägen und einige „Kröten schlucken“. Fünf mögliche Landestellen haben die Wissenschaftler nun dennoch gefunden: drei auf dem Kopf, zwei auf dem Körper. „Jede Landestelle unter diesen Kandidaten hat das Potenzial für einmalige wissenschaftliche Entdeckungen“, betont Ulamec.

Landestelle A liegt in einer interessanten Region auf dem größeren Kometenteil, die den Blick zum Kometenkopf ermöglicht. Das schmale Gebiet zwischen diesen beiden Teilen ist sehr wahrscheinlich aktiv – dort gast der Komet auf seiner Reise in Richtung Sonne bereits jetzt schon aus. Zunehmend höher aufgelöste Aufnahmen sollen nun genauere Untersuchungen ermöglichen, um die Risiken durch kleineren Vertiefungen und Hängen bei der Landung besser einschätzen zu können.

Landestelle B befindet sich einer kraterähnlichen Struktur am Kopf des Kometen und bietet für die Landung sehr wahrscheinlich ein relativ großes flaches Gelände im Inneren des Kraters. Allerdings ist an dieser Stelle das Tageslicht, das Philae erreicht, geringer als es ideal wäre – dies könnte zu einem Problem bei den längerfristigen wissenschaftlichen Untersuchungen führen. Die Brocken im Gebiet deuten zudem daraufhin, dass es sich um verändertes und somit nicht so ursprüngliches Material handelt, wie es an anderen Orten auf dem Kometen untersucht werden könnte.

Vielseitig, aber riskant oder lieber flach?

Landestelle C liegt auf dem größeren Kometenteil. Die Wissenschaftler finden hier viele unterschiedliche Strukturen wie Vertiefungen, Klippen, Hügel und ebene Gebiete – und auch Material, dass auf den Kameraaufnahmen heller als gewöhnlich erscheint und somit besonders interessant ist. Doch eben diese Oberflächenstrukturen müssen nun genauer betrachtet werden, um ihre Risiken für eine sichere Landung einzuschätzen. Landestelle C verfügt über genügend Tageslicht, von dem die späteren wissenschaftlichen Untersuchungsphasen profitieren würden.

Landestelle I ist in einem relativ flachen Gebiet und könnte neueres Material enthalten. Mit Kameraaufnahmen soll in den nächsten Wochen die Oberfläche im Detail betrachtet werden, um das Ausmaß der vorhandenen rauen Strukturen exakter bestimmen zu können. Die Beleuchtung der Landestelle hingegen ist günstig und gestattet eine länger andauernde wissenschaftliche Phase auf der Kometenoberfläche.

Der fünfte Kandidat J hat große Ähnlichkeit mit I – die Landestelle sitzt ebenfalls auf dem kleineren Kometenteil, dem Kopf, hat interessante Oberflächenstrukturen und eine gute Beleuchtung bei der Rotation des Kometen. Für das Experiment CONSERT, bei dem Radiowellen durch den Kometen zum Orbiter gesendet und empfangen werden, ist diese Landestelle günstiger als Landestelle I. Da allerdings auch hier einige Brocken und Terrassen zu sehen sind, sind höher aufgelöste Kamerabilder notwendig, um die Details des Geländes genauer zu bestimmen.

Nächster Schritt Mitte September

„In den nächsten Wochen werden wir uns die fünf Landestellen-Kandidaten besonders genau und aus der Nähe anschauen“, so Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, wissenschaftlicher Leiter des Kamerateams. „Zudem werden wir die lokale Aktivität näher untersuchen, die wir schon jetzt in abströmenden Jets erkennen können“, ergänzt Sierks. Andere Forscher erhoffen sich von den nächsten Wochen Erkenntnisse darüber, wo sich organische Stoffe auf der Oberfläche des Kometen finden. Dort könnte dann das Instrument COSAC (Cometary Sampling and Composition Experiment) unter anderem nach Bausteinen des Lebens suchen.

Mitte September tritt die Auswahlkommission erneut zusammen. Dann sollen von den fünf jetzt benannten Landestellen zwei in die engere Wahl gezogen und priorisiert werden. „Der Prozess, eine Landestelle auszuwählen, ist extrem komplex und dynamisch. Während wir uns dem Kometen nähern, werden wir mehr und mehr Details sehen, die unsere Entscheidung beeinflussen werden“, sagt Rosetta-Missionsleiter Fred Jansen von der ESA.

(DLR / Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, 26.08.2014 – NPO)

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