Werden die Gashydrate instabil? Vor der US-Ostküste haben Forscher mehr als 570 Stellen entdeckt, an denen das potente Treibhausgas Methan aus dem Meeresboden aufsteigt. Das ist überraschend, da solche Methanhydrat-Vorkommen an den Kontinentalhängen der mittleren Breiten bisher als stabil galten. Die Entdeckung könnte daher im Extremfall bedeuten, dass zehntausende weitere Gasaustritte vor den Küsten bisher schlicht übersehen wurden, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Der Meeresgrund entlang der Kontinentränder enthält eines der größte Reservoire von kohlenstoffhaltigen Verbindungen auf diesem Planeten. In Form von Methanhydrat lagert hier zehn Mal mehr Kohlenstoff als in der gesamten Erdatmosphäre vorhanden ist. Das bei tiefen Temperaturen und hohem Druck in den Hydratkäfigen eingefangene Methangas besitzt zudem eine rund 25-fach stärkere Treibhauswirkung als Kohlendioxid.
Wie stabil sind die Gashydrate?
Das aber bedeutet: Erwärmen sich die Gashydrate oder werden sie durch Mikroben oder geologische Prozesse destabilisiert, wird das Methan frei und kann ins Meerwasser und die Atmosphäre entweichen. Die Erdgeschichte zeigt, dass solche Methanausbrüche durchaus das gesamte Erdklima beeinflussen können, wenn sie in großem Maßstab stattfinden. Bisher ist jedoch unklar, inwieweit beispielweise der Klimawandel bestehende Gashydrat-Vorkommen destabilisieren könnte, indem er Wasser und Meeresboden erwärmt.
Auch vor der Nordostküste der USA finden sich große Methanhydrat-Vorkommen entlang des Kontinentalhangs ab etwa 500 Metern Tiefe. Bisher galten sie jedoch als relativ stabil, Gasaustritte waren in dem Gebiet zwischen Cape Hatteras in North Carolina und dem Golf von Maine kaum bekannt – auch, weil genauere Untersuchungen fehlten. Adam Skarke von der Mississippi State University und seine Kollegen holten dies nun nach und durchmusterten dafür Sonardaten und Aufnahmen, die das Forschungsschiff Okeanos Explorer bei Expeditionen zwischen 2011 und 2013 gesammelte hatte.
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Gasbläschen aus dem Meeresgrund
Die Analyse enthüllte mindestens 570 zuvor unentdeckte Gasaustritte entlang der US-Küste. Die daraus aufsteigenden Gasbläschen ließen sich noch hunderte Meter über dem Meeresboden nachweisen, wie die Forscher berichten. Das Wasser in der Nähe dieser Gasquellen enthielt zudem ungewöhnlich große Mengen Methan.
„Eine so ausgedehnte Leckage haben wir an der Atlantikküste nicht erwartet“, sagt Skarke. Denn bisher waren Methangas-Austritte in diesem Maßstab nur aus den sich schnell erwärmenden Meeren der Arktis bekannt. In den mittleren Breiten aber sei dies das erste Mal, so die Forscher.
Häufung am oberen Hang
Wie sich zeigte, sind die unterseeischen Gasquellen zudem nicht gleichmäßig verteilt: Sie konzentrieren sich in einer Tiefe von 400 bis 600 Metern – und damit in einem Bereich des Kontinentalhangs, der bisher als gerade noch stabil für Methanhydrate galt. „Die Erwärmung des Ozeans – entweder langfristig oder durch dekadische Schwankungen – kann dazu geführt haben, dass das Methanhydrat hier sein Methan verliert und dieses dann in den kalten Quellen freigesetzt wird“, erklärt Koautorin Carolyn Ruppel vom US Geological Survey die mögliche Ursache der Gasaustritte.
Nach Angaben der Forscher gibt es aber auch Hinweise darauf, dass geologische Faktoren die Hydratvorkommen anfälliger für diesen Auflösungsprozess machen könnten: So häufen sich die Methan-Austritte entlang des oberen Kontinentalhangs vor den Städten Washington und Baltimore. Hier ist der Kontinentrand von zahlreichen Untersee-Canyons tief eingekerbt, wie die Forscher berichten. Sie vermuten daher, dass diese Einschnitte in die Methanhydratvorkommen diese destabilisieren.
Wirkung auf Meer und Klima
Was aber bedeuten diese neuentdeckten Methangas-Quellen für das Klima? Wie die Forscher erklären, liegt ein Großteil der Austritte zu tief, als dass das Methan direkt in die Atmosphäre aufsteigen könnte. Stattdessen wird das Treibhausgas von Mikroorganismen im Meerwasser aufgenommen und zu Kohlendioxid oxidiert. Das mindert zwar die Treibhauswirkung, verstärkt aber dafür die Versauerung des Ozeans und entzieht dem Wasser Sauerstoff – beides ist für viele Meeresorganismen nicht gerade günstig.
Unter den neuentdeckten Gasquellen sind aber auch Methan-Austritte, die in flacheren Schelfgebieten liegen. Ihr Methan könnte daher die Atmosphäre erreichen, ohne vorher oxidiert zu werden. Wie solche Freisetzungen das irdische Klima beeinflussen und in welchem Maße, ist bisher nur in Teilen verstanden, wie auch John Kessler von der Rochester University in New York in einem begleitenden Kommentar betont.
Die Entdeckung der Methanquellen vor der US-Küste bietet nun jedoch die Gelegenheit, die Vorgänge an solchen Kontinentalhängen und ihre Konsequenzen genauer zu untersuchen. Wichtig ist dies vor allem deshalb, weil diese Gas-Austritte möglicherweise nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs sind: „Rechnet man die Dichte der Methangas-Quellen an diesem Kontinentrand hoch, dann könnten weltweit noch Zehntausende solcher Methangas-Quellen an ähnlichen Standorten auf ihre Entdeckung warten“, so Skarke und seine Kollegen. (Nature Geoscience, 2014; doi: 10.1038/ngeo2232)
(Nature, 25.08.2014 – NPO)