Physik

Heliumtropfen rotieren schneller als erlaubt

Forscher weisen erstmals Quantenstrudel in suprakalten Nanotropfen nach

Illustration des regelmäßigen Musters von Quantenstrudeln in einem Nanotropfen von supraflüssigem Helium und eines der scheibenförmigen Tröpfchen im Hintergrund. © SLAC National Accelerator Laboratory

Wirbel im Edelgastropfen: In suprakalten Tröpfchen aus flüssigem Helium hat ein internationales Forscherteam winzige Quantenstrudel beobachtet. Damit weisen die Wissenschaftler nach, dass sich solche Nanotropfen tatsächlich wie Quantenobjekte verhalten, wie das Team im Fachmagazin „Science“ berichtet. Dies erklärt auch einen weiteren außergewöhnlichen Effekt der Tropfen: Sie rotieren schneller, als es nach klassischer Physik möglich wäre.

Das Edelgas Helium zeigt bei extremer Kälte eine merkwürdige Eigenschaft: Dicht über dem absoluten Nullpunkt, bei minus 271 Grad Celsius, wird es supraflüssig. Das bedeutet, seine Viskosität verschwindet vollständig – das supraflüssige Helium kriecht dadurch sogar Wände hinauf und tropft auch durch die allerfeinsten Öffnungen. Der Grund für dieses Verhalten ist ein Quanteneffekt: Bei so niedrigen Temperaturen lassen die Schwingungen der Atome so weit nach, dass sie sich alle gleich verhalten – als ob sie ein einziges, großes Teilchen wären.

Nanotröpfchen unter Röntgenbeschuss

Lässt man das supraflüssige Helium in seinem Behälter rotieren, zeigt sich ein weiterer Quanteneffekt: Es bildet sich ein regelmäßiges Muster von Strudeln in der Flüssigkeit. Unbekannt war jedoch bislang, ob sich dieses Verhalten auch bis auf mikroskopisch kleine Tröpfchen von nur wenigen Nanometern Durchmesser erstreckt. Wäre das der Fall, so ließe sich die Bewegung der Nanotröpfchen als die eines einzelne Quantenobjekts beschreiben, nicht als Summe der darin enthaltenen Teilchen.

Analyse der Nanotröpfchen (Schema): Das Helium wird durch eine feine Düse gesprüht und der Tröpfchenstrahl mit einem Röntgenlaser beschossen. Das Beugungsmuster (oben links) zeigt die Form der Tröpfchen und die Existenz der Quantenstrudel (Vergrößerung in der Mitte). © Felix P. Sturm, Daniel S. Slaughter; Berkeley Lab

Diese Frage haben Forscher um Oliver Gessner vom Lawrence Berkeley National Laboratory nun beantwortet: Sie sprühten flüssiges Helium durch eine feine Düse in eine Vakuumkammer. Im Flug verdunstete ein Teil des Heliums und die Verdunstungskälte kühlte den Rest der Tröpfchen weiter. Nach nur wenigen Millimetern Flugstrecke erreichten die Nanotropfen den supraflüssigen Zustand. Zur Analyse beschossen die Forscher diese Tröpfchen mit dem derzeit weltstärksten Röntgenlaser, der Linac Coherent Light Source (LCLS) am US-Beschleunigerzentrum SLAC in Kalifornien.

Zu schnell für klassische Physik

Die aufgezeichneten Röntgenbeugungsmuster zeigten die erste Überraschung: Die Heliumtröpfchen waren keineswegs kugelförmig oder in die Länge gezogene Ovale, wie bei rotierenden Tropfen zu erwarten wäre. Stattdessen entstanden abgeflachte Formen, die an Scheiben oder breite Räder erinnern. Und: Mit bis zu 14 Millionen Umdrehungen pro Sekunde rotieren sie viel schneller als ein normaler runder Tropfen es nach den Gesetzen der klassischen Physik aushalten könnte.

Dies zeigt bereits, dass Quanteneffekte am Werk sein müssen. Aber auch die Quantenstrudel selbst haben die Forscher in den suprakalten Nanotröpfchen nachgewiesen. Allerdings war dazu ein Trick nötig, da die Wirbel selbst praktisch unsichtbar sind: Die Wissenschaftler setzten dem Helium das Edelgas Xenon zu. Die Xenon-Atome sammeln sich in den Strudeln und machen sie so durch ihre stärkere Röntgenbeugung sichtbar, „ähnlich wie wenn man den Stöpsel der Badewanne zieht und beobachtet, wie sich Kinderspielzeug im Strudel sammelt“, verdeutlicht Gessner.

In diesem Hochvakuum-Instrument namens CAMP fanden die Experimente statt. © SLAC National Accelerator Laboratory

Neuer Bereich der Quantenrotation

Dabei zeigte sich: Die Quantenstrudel bilden in den Nanotröpfchen ein genauso regelmäßiges Gitter wie in größeren Mengen supraflüssigen Heliums – allerdings bis zu 100.000-mal dichter zusammen gedrängt. Damit bestätigt sich die Annahme, dass die Tröpfchen tatsächlich Quantenobjekte sind, was auch die ungewöhnliche Form bei der Rotation erklärt: „Wir erkunden einen neuen Bereich der Quantenrotation mit diesem Material“, sagt Gessner.

Der Wissenschaftler betont auch die nahezu perfekten Forschungsbedingungen an solchen isolierten Systemen einer Supraflüssigkeit: „Jetzt, da wir gezeigt haben, dass wir die Quantenrotation in Helium-Nanotröpfchen nachweisen und charakterisieren können, ist es wichtig, ihren Ursprung zu verstehen und letztlich sie zu kontrollieren.“

(Science, 2014;doi: 10.1126/science.1252395)

(Lawrence Berkeley National Laboratory / DESY, 22.08.2014 – AKR)

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