Meister der Tarnung als Vorbild: Forscher haben die dynamische Tarnhaut der Tintenfische nachgebaut. Das dünne, mehrschichtige Tarnsystem erkennt von selbst, welches Muster der Untergrund hat und passt sich an – ohne dass eine Eingabe von außen erfolgen muss. „Intelligente“ Hüllen nach diesem Prinzip könnten zukünftig Gegenstände sogar auf sich verändernden Untergründen tarnen, wie die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.
Tintenfische nutzen ein raffiniertes Dreischicht-System, um sich blitzschnell an die Farbe und das Muster des Meeresbodens anzupassen: In ihrer Haut sitzen zuoberst durch Muskeln kontrahierbare Pigmentzellen, die Chromatophoren. Unter dieser Farbschicht sitzt eine Schicht aus ebenfalls steuerbaren irisierenden, Zellen: Sie reflektieren bestimmte Anteile des Lichts und verstärken die Pigmentfarben. Die dritte Schicht bildet eine Lage weißer Zellen, die für den kontrastierenden Hintergrund sorgen. In der Haut sitzen zudem lichtsensible Zellen, die zusätzlich zu den Augen des Tintenfischs die Information liefern, wie der Untergrund aussieht.
„Das Besondere an der Kopffüßler-Haut ist dabei die koordinierte Aktion von Zellen, Muskeln und lichtsensiblen Organen“, erklären Cunjiang Yu von der University of Houston und seine Kollegen. Erst das erlaubt es den Tintenfischen, innerhalb von Millisekunden ihre Farbe und Zeichnung zu wechseln und sich so zu tarnen. Ein technisches System, dass sich auf ähnliche Weise von selbst an den Untergrund anpassen kann, haben die Forscher nun erstmals entwickelt und getestet.
Farbkapseln, Dioden und eine biegsame Trägerschicht
Die künstliche Tintenfisch-Haut hat ganz ähnliche Grundelemente wie die des natürlichen Vorbilds: Auch hier gibt es dynamisch steuerbare Farbzellen, eine weiße Hintergrundschicht und Lichtsensoren. Die oberste Schicht der künstlichen „Tarnhaut“ besteht aus kleinen Kapseln mit einem wärmesensiblen Farbstoff. Er ist bei Raumtemperatur schwarz, bei Temperaturen über 47 Grad Celsius farblos – dadurch lässt sich die Farbe dieser Schicht gezielt steuern.
Unter den Kapseln folgt nach einer dünnen, weißen Kontrastschicht ein feines Netz aus Siliziumdioden, die die Farbkapseln punktuell erhitzen und so den Farbwechsel auslösen. Nach einer Trägerschicht aus Polymer folgt dann als Abschluss das entscheidende Element, um das Ganze „intelligent“ zu machen: Photodioden, die die Helligkeit des Untergrunds registrieren und entsprechende Impulse an die Heizdioden weitergeben. „Die Reaktionen der Photodioden definieren das Muster der Erwärmung und damit auch das resultierende Farbmuster“, erklären die Forscher.
Dynamisches Schwarz-Weiß-Muster
Dank der miniaturisierten Komponenten ist die künstliche Tarnhaut nur rund einen Millimeter dünn und wegen der flexiblen Polymermatrix sehr biegsam, wie die Forscher berichten. Für die Tests legten sie ein Stück davon auf einen Leuchttisch mit verschieden ausgeschnittenen schwarzen Abdeckschablonen. Innerhalb von ein bis zwei Sekunden reagierte das System auf den Untergrund und reproduzierte das Schwarz-Weiß-Muster des Leuchttischs mit seinen Farbzellen.
„Das Ganze funktioniert ohne Nutzereingabe oder externe Messgeräte“, betonen die Forscher. Und sogar bewegte Muster konnte die künstliche Tintenfisch-Haut reproduzieren, wie das Experiment zeigte: Das System passte sich auch an ein helles Quadrat an, das sich langsam über einen schwarzen Hintergrund bewegte.
Nach Ansicht der Forscher bereitet diese künstliche Tintenfisch-Haut einen Weg zu Tarnhüllen, die sich von selbst an ihren Untergrund anpassen. Wegen ihrer flexiblen, biegsamen Bauweise lässt sich ein solches System zudem leicht um Gegenstände aller Art herumdrapieren. Eingesetzt werden könnte diese künstliche Tintenfisch-Haut beispielsweise zur Tarnung, aber auch, um Objekten gezielt wechselnde auffallende Farben oder Muster zu verleihen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014; doi: 10.1073/pnas.1410494111)
(PNAS, 19.08.2014 – NPO)