Klima

Seebären von Klimawandel bedroht

Bestände in der Antarktis sinken durch Futtermangel und Selektionsdruck

Seebären-Kolonie auf der antarktischen Insel Südgeorgien. © Oliver Krüger

Futtermangel durch Klimawandel: Den antarktischen Seebären geht durch Klimaveränderungen das Futter aus, und sie sind offenbar nicht in der Lage, sich effektiv an die veränderten Bedingungen anzupassen. Die Bestände dieser Robbenart gehen daher stark zurück, wie britische und deutsche Forscher festgestellt haben. Auch die genetische Vielfalt der Seebären sinkt und hilft ihnen kaum, mit dem starken Selektionsdruck fertig zu werden, so die Forscher im im Fachmagazin „Nature“.

In den Polarregionen macht sich der Klimawandel besonders bemerkbar: Ob die Fläche des Meereises nun ab- oder zunimmt – steigende Temperaturen stellen zahlreiche Tierarten vor veränderte Lebensbedingungen. Wie sich dies auf die zu komplexen Ökosystemen verflochtenen Arten auswirken wird, ist oft schwer zu sagen: Beobachtungsdaten stehen nur selten über einen ausreichenden Zeitraum zur Verfügung.

Im Falle der Seebären auf der antarktischen Insel Südgeorgien jedoch reichen solche Daten bis ins Jahr 1981 zurück. Jaume Forcada vom British Antarctic Survey (BAS) in Cambridge und Joe Hoffman von der Universität Bielefeld haben diesen Datensatz genauer analysiert: In dieser Langzeitstudie konnten sie die Lebensläufe der Tiere im Laufe der Zeit und abhängig von Klima und Nahrungsverfügbarkeit untersuchen. Besonderes Augenmerk legten die Forscher auf Größe und Gewicht der Tiere, die Anzahl der Jungen und die genetische Vielfalt der Seebären.

Typische Anzeichen von Nahrungsstress

Veränderungen in der Seebärenpopulation in den vergangenen Jahrzehnten sind deutlich erkennbar: „Weibliche Seebären werden heutzutage mit einem niedrigeren Gewicht geboren als noch vor 20 Jahren“, erklärt Erstautor Forcada. „Diejenigen, die überleben und sich paaren, sind tendenziell größer und bekommen ihr erstes Junges später im Leben. Solche Veränderungen werden typischerweise mit Nahrungsstress in Verbindung gebracht.“

Die Wissenschaftler nennen auch die Ursache für diesen Nahrungsmangel: Eine wichtige Futterquelle der Seebären sind die garnelenartigen Krill-Krebse. Wie entscheidend der Krill als Nahrung ist, zeigt ein Vergleich der Bestandszahlen. Bei weniger Krill nimmt auch die Zahl des Seebären-Nachwuchses ab. Letztendlich ist es aber das Klima der entscheidende Faktor: „Ungünstige Klimabedingungen werden typischerweise mit einem geringen Vorkommen von Krill in Verbindung gebracht, wodurch sich der Überlebens- und Paarungserfolg der Seebären verringert“, so Forcada.

Überlebenswichtige genetische Vielseitigkeit

Der Klimawandel setzt die Tiere somit unter Druck, sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Dieser Selektionsdruck lässt sich auch am Erbmaterial der Seebären-Weibchen erkennen: Vor allem solche Tiere überleben und produzieren Nachwuchs, deren Eltern sich genetisch stärker voneinander unterscheiden. In Bezug auf ein einzelnes Gen bezeichnen die Forscher dies als „heterozygot“, das Tier erhält also von seinen Eltern zwei unterschiedliche Ausprägungen desselben Gens.

Ein Tier, das bei vielen Genen heterozygot ist, ist genetisch variabler und somit vermutlich anpassungsfähiger. Bei vielen Arten wird Heterozygotie mit besseren Überlebens- und Fortpflanzungschancen in Verbindung gebracht. „Wir haben herausgefunden, dass Seebärenmütter im Durchschnitt heterozygoter sind als noch vor 20 Jahren“, sagt Koautor Hoffman. „Das liegt daran, dass die heterozygoten Tiere eine größere Chance haben, trotz der veränderten Umweltbedingungen zu überleben.“

Langfristig scheint dies den Seebären jedoch wenig zu nützen: „Allerdings scheint die Evolution der Seebären insofern begrenzt zu sein, als dass überlebende Weibchen ihre Heterozygotie nicht an ihre Nachkommen weitergeben“, erläutert Biologe Hoffman weiter.

Jede Generation muss komplett neu beginnen

Denn ob ein Seebären-Junges heterozygot oder homozygot ist, hängt davon ab, mit welchem Männchen sich ein Weibchen paart – und das ist stark vom Zufall geprägt. Das bedeutet, dass viele Seebären mit geringer Heterozygotie geboren werden, die deshalb schlechter in der Lage sind, mit der sich wandelnden Umwelt zurechtzukommen. „Deshalb muss mit jeder neuen Generation der Selektionsprozess komplett neu beginnen und nur jene Individuen, die zufällig heterozygot geboren wurden, haben eine gute Chance zu überleben“, fasst Hoffman zusammen. „Da sich das Klima weiterhin wandelt, erreichen nur wenige Seebären-Junge das Erwachsenenalter, sodass der Bestand rückläufig ist.“

Die Studie von Forcada und Hoffman zeigt, wie wichtig Langzeitstudien sind, um die Wechselwirkungen innerhalb eines Systems zu verstehen und seine Reaktion auf den globalen Klimawandel vorhersagen zu können. Die Forscher wissen noch nicht, wie sich der wandelnde, umweltbedingte Selektionsdruck auf viele Tier- und Pflanzenarten auswirkt. Veränderungen in einer Art können außerdem Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem haben. Die verringerte Verfügbarkeit von Krill in den Jagdgründen der Seebären-Population von Südgeorgien hat die natürliche Selektion auf die Raubtiere verstärkt, die aber bisher nicht in der Lage sind, sich hieran anzupassen.

(Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13542)

(Universität Bielefeld, 24.07.2014 – AKR)

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