Mehr Übergewicht durch stressigen Alltag – eine US-amerikanische Studie hat nun aufgeklärt, wie es zu diesem Effekt kommt. Grund ist nicht nur der häufigere Griff zum Fast-Food unter Zeitmangel, sondern auch ein durch den Stress veränderter Stoffwechsel: Gestresste Studienteilnehmerinnen verbrannten deutlich weniger Kalorien und lagerten dafür mehr Fett an. Diese Reaktion des Stoffwechsels sei ein Grund, sich mit gesünderen Vorräten auf stressige Zeiten vorzubereiten, so die Wissenschaftler.
Arbeit, Familie, Haushalt – viel zu tun und noch mehr Stress. Dabei bleibt oft keine Zeit für überlegtes Essen, und der Griff zum fettigen Fast-Food wird für viele zur Gewohnheit. Übergewicht und Gesundheitsprobleme sind die Folgen. Dass Stress und ungesunde Ernährung sich fatal auf die Gesundheit auswirken, ist vielfach untersucht: Frühere Forschungsergebnisse haben bereits gezeigt, dass gestresste Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit übergewichtig sind. Eine Studie von Wissenschaftlern um Jan Kiecolt-Glaser von der Ohio State University klärt nun einen Mechanismus hinter diesem Zusammenhang.
Stress durch Streit, Sorgen und Arbeitsdruck
An der Studie nahmen 58 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 53 Jahren teil. Die Wissenschaftler befragten die Probandinnen zunächst über stressige Ereignisse des vergangenen Tages, körperliche Aktivität und Anzeichen von Depressionen. Als Stressfaktoren nannten die Frauen vor allem Streit mit Arbeitskollegen, Freunden oder Ehepartnern, Sorgen um die Kinder oder Druck bei der Arbeit.
Anschließend erhielten die Teilnehmerinnen eine standardisierte Mahlzeit: Eier, Truthahnwürstchen, Brötchen und Soße. Mit 930 Kilokalorien und 60 Gramm Fett entspricht das ungefähr einem doppelten Burger mit Pommes in einem Fast-Food-Restaurant. Die Forscher bestimmten jeweils vor und nach dem Essen die Stoffwechselrate anhand des Verhältnisses zwischen Sauerstoff und Kohlendioxid in der Atemluft. Daraus lässt sich ableiten, wie schnell der Körper Kalorien verbrennt. Außerdem maßen sie im Blut der Frauen, wie sich der Gehalt von Zucker, Fetten, Insulin und dem Stresshormon Cortisol in der Zeit nach dem Essen verhielt.
Bis zu fünf Kilo mehr im Jahr
Ein Ergebnis war schnell deutlich: Teilnehmerinnen verbrannten weniger Kalorien, wenn sie am Vortag unter Stress zu leiden hatten. Im beobachteten Zeitraum von sieben Stunden waren es durchschnittlich 104 Kilokalorien weniger. Hinzu kam ein höherer Insulinspiegel bei den gestressten Frauen. Insulin kontrolliert neben dem Zuckerhaushalt auch die Einlagerung von Fetten: Bei einem hohen Pegel wird weniger Fett als Energiequelle verbrannt und stattdessen eingelagert. Interessanterweise fanden die Forscher keinen Unterschied zwischen dem Stoffwechsel von Fetten mit gesättigten oder ungesättigten Fettsäuren.
„Dies bedeutet, dass Stress mit der Zeit zu Gewichtszunahme führen kann“, erläutert Erstautor Kiecolt-Glaser. Auf ein ganzes Jahr hochgerechnet, so schätzen die Wissenschaftler, könnte das bis zu fünf Kilogramm mehr Körpergewicht bedeuten. „Aus anderen Daten wissen wir bereits, dass wir bei Stress eher zum falschen Essen neigen“, so der Wissenschaftler weiter, „und unsere Daten zeigen nun, dass wir dann vom falschen Essen wahrscheinlicher zunehmen, weil wir weniger Kalorien verbrennen.“
Doppelschlag mit Depressionen
Depressionen sind offenbar ein zusätzlicher Riskikofaktor, jedenfalls wenn sie mit Stress kombiniert sind: Frauen, die in ihrer Vergangenheit unter Despressionen gelitten hatten, erreichten nach Stress am Vortag die höchsten Bluttfettwerte-Werte aller Teilnehmerinnen. Hohe Blutfettwerte gelten als eine Ursache von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Der Doppelschlag von früheren Depressionen zusammen mit täglichem Stress war eine wirklich böse Kombination,“ urteilt Kiecolt-Glaser.
Die aktuelle Studie bezieht sich nur auf Frauen. Die Wissenschaftler zögern jedoch, ihre Forschung auch auf Männer auszuweiten: Deren durchschnittlich höhere Muskelmasse könnte die Stoffwechselrate beeinflussen und eine Bewertung erschweren. Dennoch sehen die Wissenschaftler in ihren Ergebnissen einen weiteren Grund, Essen gesund und vorrausschauend zu planen: „Es ist klar, dass sich Stressfaktoren im Leben nie ganz vermeiden lassen“, sagt Koautorin Martha Belury, und rät: „Was wir aber tun können ist, eine gesunde Auswahl an Essen im Schrank zu haben. Wenn der Stress losgeht, können wir dann zu etwas Gesundem greifen, anstatt zu etwas Schnellem aber Fettigem.
(Biological Psychiatry, 2014; doi: 10.1016/j.biopsych.2014.05.018)
(Ohio State University, 14.07.2014 – AKR)