Klima

Klimawandel hat die Nordsee bereits verändert

Seit der Jahrtausendwende hat sich die Tierwelt in der Deutschen Bucht massiv verändert

Der nur fünf Millimeter große Einsiedlerkrebs Diogenes pugilator ist in die Nordsee eingewandert und heute hier etabliert - dank des wärmeren Wassers. © Senckenberg/ Türkay

Mehr Warmwasserarten, weniger Artenvielfalt: Der Klimawandel hat in der Nordsee bereits deutliche Spuren hinterlassen, wie deutsche Meeresforscher berichten. Immer mehr Tiere aus südlichen Gefilden dringen in den Norden des Meeres vor, andere werden verdrängt. Seit der Jahrtausendwende ist dadurch die Artenvielfalt messbar gesunken.

Meere wirken wir Klimapuffer: ihr Wasser erwärmt sich nur langsam und gleicht Schwankungen aus. Der Klimawandel macht sich daher in den Ozeanen meist erst mit Verzögerung bemerkbar. „Das Meer hat eine höhere Elastizität gegenüber Veränderungen“, erklärt Michael Türkay, Abteilungsleiter für Marine Zoologie am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt. „Das heißt ein Wandel vollzieht sich dort langsamer, aber dafür umso nachhaltiger.“

Ob und wie sich der Klimawandel auf die Tierwelt der Nordsee auswirkt, untersucht ein Team von Wissenschaftlern um Türkay bereits seit über 20 Jahren. Dafür nehmen die Forscher mit einem Forschungskutter jedes Jahr zur selben Zeit Proben an etwa 40 Stellen vom Grund der mittleren Nordsee und werten sie aus.

Ökologischer Wechsel seit der Jahrtausendwende

„Unsere Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass im Jahr 2000 in der Nordsee ein Regimewechsel einsetzt hat und sich die Zusammensetzung der Tierwelt seit diesem Zeitpunkt massiv ändert“, erläutert Türkay. „Warmwasserarten dringen stärker nach Norden und Osten vor und verwischen damit auch die früher stabilen Grenzen zwischen unterschiedlichen Faunenregionen.“ So zieht es den Kabeljau in kühlere Regionen, Krebse und Krabben aus südlichen Gebieten hingegen dringen immer weiter in die Nordsee vor.

Die ozeanische Schwimmkrabbe Liocarcius depurator, ist mittlerweile in der Helgoländer Tiefen Rinne dominant. © Senckenberg/ Tränkner

Das Ergebnis ist eine Vereinheitlichung der Tierwelt und eine Abnahme der Artenvielfalt. „Man kann sagen, dass das Biodiversitätslevel um die Jahrtausendwende auf ein niedrigeres Niveau gesunken ist“, sagt Türkay. Langzeituntersuchungen in einem Graben südlich der Nordseeinsel Helgoland Bucht bestätigen diesen Trend: Seit 2000 nimmt der Anteil von Warmwasserarten dort beständig zu und wird stabiler.

Einsiedlerkrebs als Einwanderer

Auch der winzige Einsiedlerkrebs Diogenes pugilator, ursprünglich im Mittelmeer und dem angrenzenden Atlantik beheimatet, fühlt sich mittlerweile in der Nordsee heimisch. „Der Krebs hat 2002 die Deutsche Bucht erreicht“, berichtet Türkay. „Seit dem Jahr 2005 beobachten wir stabile Populationen vor und auf der Nordsee-Insel Wangerooge.“ In warmen Jahren findet man die Einsiedlerkrebse häufig am Strand der Insel, in kalten Wintern ziehen sie sich in tiefere Meeresgebiete zurück.

Auch die ozeanische Schwimmkrabbe Liocarcius depurator, liebt es eigentlich eher warm. Seit gut zehn Jahren aber tritt sie immer häufiger auch in kühleren Bereichen der Nordsee auf. So ist sie mittlerweile in der Helgoländer Tiefen Rinne sogar eine dominante Art, wie die Forscher berichten. „Die von uns untersuchten Krebse sind wie lebende Messgeräte – ihr Auftreten und ihre Ausbreitung sind Reaktionen auf die sich verändernde Umwelt“, resümiert Türkay.

(Senckenberg Forschungsinstitut, 30.06.2014 – NPO)

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