Nicht mehr schneeweiß: Die Eisfläche Grönlands verdunkelt sich jedes Jahr stärker, absorbiert dadurch mehr Sonnenlicht und schmilzt schneller. Französische Wissenschaftler haben nun eine Ursache aufgeklärt, warum sich der Schnee im Frühjahr aufheizt und diesen Prozess beschleunigt: Verunreinigungen an der Oberfläche der Schneedecke sind schuld, schreiben die Forscher im Magazin „Nature Geoscience“. Klimamodelle zum Abschmelzen der Polkappen sollten demnach solche Verunreinigungen berücksichtigen.
Aus Erfahrung wissen wir: Dunkle Oberflächen heizen sich im Sonnenlicht stärker auf als helle – darum ist weiße Kleidung im Hochsommer angenehmer. Bei Grönlands Eisflächen ist das genauso: Normalerweise reflektiert das strahlende Weiß den größten Teil des Sonnenlichts zurück. Dieses Rückstrahlvermögen, die sogenannte Albedo, hängt hauptsächlich von der Größe der Schneekörner und eventuellem Schmutz in der Schneedecke ab. Eine hohe Albedo bedeutet eine besonders helle, stark reflektierende Oberfläche.
Rückkopplung: Erwärmung verstärkt sich selbst
Nicht nur das Meereis um Grönland zeigt seit einigen Jahren eine sinkende Albedo, auch der Eisschild der Gletscher selbst ist betroffen. Besonders im Frühjahr und im Sommer verdunkelt sich der Schnee, beobachten Wissenschaftler seit 2009. Im Sommer ist vor allem die Korngröße des Schnees entscheidend: Durch steigende Temperaturen werden die Schneekörner größer. Dieser Effekt wird durch die globale Erwärmung des letzten Jahrzehnts noch verstärkt. Besonders tückisch ist dabei die sogenannte positive Rückkopplung: Durch die sinkende Albedo erwärmt sich die Schneedecke zusätzlich, und der Effekt des „schwarzen Schnees“ verstärkt sich gewissermaßen selbst.
Dieser Prozess ist aber nicht die einzige Ursache, wie Wissenschaftler um Marie Dumont vom französischen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) nun berichten. Im Frühling verdunkelt sich der Eisschild zusätzlich durch Verunreinigungen, wie die Forscher mit Hilfe von Satellitenaufnahmen feststellten. Im sichtbaren Bereich und im Infrarotlicht zeigen sich nicht nur die typischen dunkleren Bereiche der größeren Schneekörner, sondern auch „farbige“ Flecken.
Sinkende Albedo durch Mineralstaub
Von Alpengletschern war bereits bekannt, dass Rußablagerungen die Albedo merklich senken und so das Abschmelzen beschleunigen können. In Grönland liegen die Dinge anders: Die Wissenschaftler nehmen an, dass es sich bei den dortigen Verunreinigungen um Mineralstaub handelt. Dieser Staub stammt aus der Schneedecke in anderen weiter nördlich gelegenen Gebieten. Wenn im Vorjahr ein Teil der Schneedecke schmilzt, so vermuten die Forscher, wird der Mineralstaub freigesetzt. Der Wind verteilt ihn dann weiter über den Grönland-Gletscher – die Albedo sinkt, der Schnee schmilzt schneller. Durch den Klimawandel schmilzt auch abseits des Grönland-Gletschers mehr Schnee, wodurch mehr und mehr Staub freigesetzt wird.
Mit einem Rechenmodell haben die Forscher außerdem untersucht, wie sich diese beiden Effekte gegenseitig beeinflussen. Anhand dieses Modells folgern sie, dass besonders die Verdunkelung im Frühjahr das verstärkte Abschmelzen des Grönland-Eises im letzten Jahrzehnt verursacht. Hierdurch erwärmt sich der Schnee an der Oberfläche bereits frühzeitig, und die positive Rückkopplung im Sommer tritt noch stärker auf. Eine mögliche Zunahme solcher Verunreinigungen muss künftig in Klimamodellen zum Abschmelzen des Polareises und dem Anstieg des Meeresspiegels berücksichtigt werden, fordern die Wissenschaftler.
(Nature Geoscience, 2014; doi: 10.1038/ngeo2180)
(Wissenschaftliche Abteilung, Französische Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland, 23.06.2014 – AKR)