Keime abtöten wie ein Zikadenflügel: Wissenschaftler aus Deutschland haben sich einen Trick aus der Natur abgeschaut und die antibakterielle Nano-Oberfläche von Insektenflügeln imitiert. Die säulenförmigen Nanostrukturen aus Titan sollen das Infektionsrisiko von Implantaten verringern, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Nanotechnology“.
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Nanomaterialien sind mittlerweile ein verbreitetes Mittel gegen Keime: mikroskopisch feine Silberpartikel beispielsweise schützen zahlreiche Textilien, von antibakteriellen Socken und Funktionswäsche bis hin zu Putzlappen.
Bakterien auf dem Nagelbrett
Auch in der Natur haben Wissenschaftler solche Schutzmechanismen entdeckt: Zikaden schützen ihre Flügel mit Nanostrukturen gegen Bakterienbefall, wie australische Wissenschaftler herausfanden. Die Oberflächen der Insektenflügel sind besetzt mit etwa 200 Nanometer hohen Säulen. Für Bakterien wirken sie wie ein Nagelbrett: Die Zellen der Keime sinken auf den stachligen Säulen ein und mechanische Spannung reißt die Zellwand auf.
Wissenschaftler um Manfred Köller vom Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum haben diese antibakterielle Nano-Oberfläche nachgebildet. Dazu benutzten sie das widerstandsfähige Metall Titan: Mit einem speziellen Magnetron-Sputter-Verfahren produzierten sie Titan-Säulen mit einer Höhe von etwa 80 Nanometern.
Anschließend testeten die Forscher, ob auch diese Nanosäulen wie die Zikadenflügel keimfrei bleiben. Dazu trugen sie Proben der verbreiteten Bakterienarten Staphylococcus aureus und Escherichia coli auf Testplättchen der neuen Titanoberfläche. Mit Fluoreszenz-Farbstoffen analysierten sie dann die Menge der anhaftenden und überlebenden Keime. Das Ergebnis: Zumindest gegen das verbreitete Darmbakterium Escherichia coli waren die Titan-Nanosäulen äußerst wirksam. Auch der EHEC-Erreger gehört zu dieser Art. Die Zahl der Bakterien nahm in kurzer Zeit drastisch ab. Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigten außerdem die zerstörten Zellwände bei den verbliebenden Bakterien.
Antibakterielle Oberflächen für Implantate
Zum Einsatz kommen soll die neue Nano-Oberfläche zum Beispiel bei Prothesen und Implantaten: Selbst unter sorgfältigsten Hygienemaßnahmen kann es bei den entsprechenden Operationen zu Infektionen kommen, die weitere komplizierte Eingriffe nötig machen können. Viele solcher Implantate bestehen aus Titanlegierungen. Antibakterielles Nanomaterial soll das Infektionsrisiko bei solchen Operationen deutlich senken.
Dazu muss die von der Zikade abgeschaute Oberflächer allerdings noch weiter verbessert werden: „Derzeit arbeiten wir daran, diese nanostrukturierten Titanoberflächen weiter zu entwickeln, sodass auch andere Bakterientypen angegriffen und bekämpft werden“, erklärt Studienleiter Köller. Im Fokus der Forscher stehen insbesondere Keime wie Staphylococcus aureus, die Art, zu der auch der gefährliche Superkeim MRSA gehört.
(Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, 16.06.2014 – AKR)