Genetik

Die ersten Bauern kamen über den Seeweg

Neolithische Einwanderer praktizierten Inselhüpfen in der Ägäis

Seeweg mit Inselpausen: Die Route der ersten Bauern auf dem Weg nach Europa. © NASA

Inselhüpfen in der Jungsteinzeit: Auf welcher Route die ersten steinzeitlichen Bauern nach Europa kamen, war bisher unbekannt. Jetzt zeigt ein DNA-Vergleich: Die neolithischen Einwanderer wählten offenbar nicht den Landweg über Anatolien und den Balkan, wie bisher meist angenommen. Stattdessen kamen sie über das Mittelmeer und nutzten die Inseln der Ägäis als Zwischenstationen, wie Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.

Die meisten Bewohner Europas tragen heute ein gemischtes genetisches Erbe in sich: Ein Teil ihrer DNA stammt von den Jägern und Sammlern, die schon vor rund 40.000 Jahren den Kontinent besiedelten. Der andere Teil aber zeugt von einer zweiten Einwanderungswelle vor rund 9.000 Jahren. Damals kamen die ersten Bauern aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Europa und lösten damit einen tiefgreifenden Wandel der Lebensweise von nomadischen Jägern und Sammlern zu sesshaften Bauern aus.

Aber über welche Route wanderten diese ersten Bauern ein? „Im Prinzip können sie über drei verschiedene Wege nach Europa gelangt sein“, erklären Studienleiter George Stamatoyannopoulos von der University of Washington in Seattle und seine Kollegen: Über die Landroute von Anatolien über den Bosporus bis in den Balkan, über den Seeweg von der Levante aus an die Südküste Europas oder aber von der anatolischen Küste über die Inseln der Ägäis aufs griechische Festland. Dass die Menschen der Jungsteinzeit durchaus schon seetüchtige Boote bauten konnten, belegt die frühe Besiedelung von Inseln wie Sardinien, Zypern und auch Kreta.

DNA verrät steinzeitlichen Genfluss und damit die Route

Um herauszufinden, welche der drei Routen unsere Vorfahren nahmen, verglichen Stamatoyannopoulos und seine Kollegen die DNA von Menschen aus insgesamt 32 Populationen. Darunter waren Genproben von Bewohnern Kretas und der Inseln der Ägäis, vom griechischen Festland und 14 weiteren europäischen Volksgruppen, aber auch von Menschen aus Anatolien, dem Nahen Osten und Nordafrika. Mit Hilfe spezieller Algorithmen rekonstruierten die Forscher dann anhand der Abweichungen in einzelnen Genbausteinen den Genfluss zwischen den Populationen und schlossen so auf die wahrscheinliche Wanderungsbewegung der jungsteinzeitlichen Bauern.

Die Inseln der Ägäis dienten den Einwanderern als Trittsteine auf dem Weg nach Griechenland © NASA

Das Ergebnis war eindeutig: „Die Populationen, die am engsten mit Anatolien verknüpft sind, sind die Bewohner Kretas und der Inseln der östlichen Ägäis“, berichten die Forscher. Bewohner des Balkan oder Nordgriechenlands zeigen dagegen deutlich weniger genetische Gemeinsamkeiten mit den Menschen Anatoliens. Dies zeigte sich übereinstimmend in gleich drei verschiedenen Tests.

Ägäische Inseln als Trittsteine

Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies sehr dafür, dass die neolithischen Bauern nicht den Land-, sondern den Seeweg nach Europa wählten: „Auf ihrem Weg von Anatolien nach Südeuropa nutzen die einwandernden Populationen Kreta und die ägäischen Inseln als Trittsteine“, so Stamatoyannopoulos und seine Kollegen. Da diese Inseln von der Küste Anatoliens bis in die Nähe des griechischen Festlands verteilt sind, mussten die steinzeitlichen Bauern immer nur kleine Etappen auf See zurücklegen. Von Griechenland aus erreichten sie per Boot dann auch Sizilien und das italienische Festland.

Dieses auf genetischen Daten beruhende Szenario passt auch sehr gut zu archäologischen Funden, wie die Forscher betonen: Die ältesten europäischen Relikte jungsteinzeitlicher Bauern finden sich in Griechenland und stammen aus der Zeit vor rund 8.500 bis 9.000 Jahren. Fundstätten in Thrakien und Makedonien sind dagegen jünger.

Der Seeweg könnte auch erklären, warum sich die jungsteinzeitlichen Bauern in Südeuropa besonders schnell ausbreiteten: Die Passage per Boot ging schneller als die Einwanderung über Land. Auf dem Festland ließ das Tempo der Ausbreitung dann nach, Anthropologen kalkulieren dafür etwa 0,6 bis 1 Kilometer pro Jahr. Deshalb dauerte es dann noch ein paar tausend Jahre, bis sich die Landwirtschaft auch in Nordeuropa etabliert hatte. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014; doi: 10.1073/pnas.1320811111)

(PNAS, 10.06.2014 – NPO)

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