Geowissen

Interview: Tiefsee-Bergbau und die Folgen

Biologin Stefanie Kaiser über die Risiken des Rohstoff-Abbaus im Meer

Der technische Assistent Marco Bruhn untersucht eine Manganknolle im Labor © Viola Siegler

Die Tiefsee gilt als die Rohstoffquelle der Zukunft. Aber welche Folgen hätte ein Abbau von Metallen, Seltenen Erde und anderen Ressourcen auf die Lebenswelt? Ein europäisches Forschungsprojekt untersucht genau dies. Die Biologin Stefanie Kaiser, erklärt uns im Interview, was man bisher über die Risiken und Nebenwirkungen des Tiefsee-Bergbaus weiß – und was noch nicht.

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Auf dem Meeresboden der Tiefsee lagern wertvolle Rohstoffe: Gashydrate, Sulfidablagerungen sowie metallreiche Krusten und Knollen – Mangan zum Beispiel, ein Element, das zur Herstellung von Mobiltelefonen oder Kraftfahrzeugen benötigt wird. Doch der Abbau dieser begehrten Ressourcen ist technisch schwierig – und ökologisch riskant. Denn irreversible Umweltschäden könnten die Folge sein, wenn Lebensräume und Lebensgemeinschaften voller noch unbekannter Arten zerstört werden.

Im Rahmen des Projekts MIDAS (Managing Impacts of Deep Sea Resource Exploitation) untersucht ein europäisches Forscherteam deshalb die Möglichkeiten und Gefahren des Rohstoffabbaus am Grund der Tiefsee. Ziel ist es, zusammen mit der Industrie und Regierungspartnern, Richtlinien für den schonenden Abbau von Rohstoffen zu erstellen, um den Lebensraum Tiefsee zu schützen. Die Biologin Stefanie Kaiser vom Forschungsinstitut Senckenberg am Meer macht sich gerade wieder auf den Weg nach Hawaii, um von dort aus zu den Manganknollenfeldern im Pazifik zu fahren. Vorher aber beantwortet sie uns einige Fragen zum Projekt und dem Bergbau in der Tiefsee.

Ein Manganknollenfeld – ist das einfach ein Stück Meeresboden, auf dem Manganknollen herumliegen und auch Tiere leben? Was passiert, wenn man die Knollen „erntet“?

S. Kaiser: Die metallhaltigen Knollen wachsen über Millionen von Jahren, wenn die weg sind, kommen für eine lange Zeit keine neuen nach. Die Maschinen, die die Knollen bergen würden, tragen den Meeresboden ab. Die potenziellen Auswirkungen auf die Tiefseefauna in dem Gebiet sind ähnlich einer sogenannten Eisbergstörung: Wenn ein Eisberg, der seinen größten Teil unter Wasser hat und dabei einige hundert Meter Tiefe erreichen kann, über den Grund kratzt, hinterlässt er eine Spur, in der erstmal alles kahl ist.

Die Frage ist: Kommen die Lebewesen hierher zurück und wie lange brauchen sie für die Wiederbesiedlung? Es gibt in der Tiefsee ein Gebiet, in dem vor ca. 30 Jahren mit Maschinen eine Spur in einem Manganknollenfeld gezogen wurde; anhand von Fadenwürmern hat man dort festgestellt, dass die meisten Arten bis heute nicht zurückgekommen sind.

Gibt es in der Tiefsee für solche Manganknollenfelder, eine ganz typische und einzigartige Lebensgemeinschaft oder kommen die einzelnen Tierarten auch außerhalb der Manganknollenfelder vor?

Wir wissen noch nicht genau, ob es typisch ist, was wir dort finden, und auch noch nicht, ob und wie sich die Biodiversität in den einzelnen Gebieten unterscheidet. Es ist wichtig zu wissen, wie weit die Verbreitung einzelner Arten ist. Dies versuchen wir anhand genetischer Methoden herauszufinden. Denn es kann sein, dass ähnliche Lebensgemeinschaften und Arten auch außerhalb der Manganknollenfelder vorkommen – was gut wäre, denn das wäre eine Ressource für die Wiederbesiedlung. Es gibt Arten im Sediment und solche, die auf den Knollen leben, letztere wären nach einem Abbau auf jeden Fall langfristig weg.

Und was kommt danach?

Es ist schwer vermittelbar, warum Lebensgemeinschaften schützenswert sind. Man kann es nicht an der einzelnen Art festmachen, ob sich ein Gebiet erholt, sondern es ist ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren. Zum Beispiel, gibt es Tiere, die auf das Dasein anderer Organismen angewiesen sind, weil sie beispielsweise mit Schwämmen assoziiert leben; da muss erst eine Struktur wieder aufgebaut sein, damit andere Arten einwandern können.

In diesen Tiefen gibt es eine unglaubliche Vielzahl von winzigen Krebsen und Würmern, von denen man den überwiegenden Anteil dieser Arten noch nicht kennt und nicht weiß, wie weit sie verbreitet sind. Und da liegt unsere Aufgabe, Methoden zu entwickeln, um die Biodiversität und Ausbreitung einzelner Tiergruppen zu erfassen, um dann Aussagen treffen zu können, inwieweit sie durch den Abbau beeinträchtigt werden, ob und wie schnell Arten gestörte Gebiete wiederbesiedeln könnten.

Wie weit ist man technologisch: Ist der Abbau der Manganknollen und der anderen Rohstoffe in so großer Tiefe überhaupt schon technisch und wirtschaftlich realisierbar?

Die Idee, Rohstoffe aus so großen Tiefen zu holen, ist mehrere Jahrzehnte alt. Für den Abbau von Manganknollen gibt es Pläne für Maschinen, die jedoch noch nicht realisiert wurden. Der Abbau von marinen Sulfiden, die an Hydrothermalquellen in der Tiefsee vorkommen, wurde schon an einer Stelle im Pazifik getestet und das Interesse der beteiligten Länder ist groß, diese Rohstoffe in naher Zukunft in größerem Umfang abzubauen.

Eine Tiefseeassel - wie diese Tiere auf den Bergbau in ihrem Lebensraum reagieren, muss noch erforscht werden. © Stefanie Kaiser

Das MIDAS Projekt soll Abbau und Naturschutz vereinbaren, geht so etwas überhaupt?

Wir versuchen Standards und Protokolle für einen schonenden Abbau zu entwickeln. Erstmal müssen wir jedoch wissen, welche Arten dort überhaupt vorkommen und dann wie sich die Biodiversität in den einzelnen Gebieten unterscheidet. Das ist die Grundlage, auf der jede mögliche Veränderung zum Beispiel der Biodiversität und der Artenzusammensetzung gemessen werden kann. Ein Ziel ist es also, biologische Indikatoren zu definieren und einzusetzen, um Schäden an Ökosystemen abschätzen zu können.

Am MIDAS Projekt sind 32 Organisationen aus ganz Europa beteiligt. Wie arbeiten so viele Menschen aus so unterschiedlichen Bereichen eigentlich zusammen?

Eine besondere Herausforderung ist, eine gemeinsame Sprache zu finden, weil sehr unterschiedliche Disziplinen „an Bord“ sind. Wir arbeiten mit unseren biologischen Erkenntnissen den anderen zu. Darunter sind z.B. Juristen, für die es wichtig ist, ausreichend von den biologischen und geologischen Gegebenheiten zu verstehen, um darauf aufbauend zu formulieren, wie mit diesen Gebieten umgegangen werden kann. Es ist eine Stärke des Projektes, dass wir voneinander lernen können, und alle an einem Strang ziehen, um die Tiefsee mit ihren einzigartigen Lebensformen nachhaltig zu schützen.

(Regina Bartel / Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 22.05.2014 – NPO)

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