Geowissen

Rotes Meer verliert geologischen Ausnahmestatus

Bisheriges Modell war durch fließende Salzgletscher verfälscht

Neue Bodenkartierung eines 70 Kilometer langen Abschnitts des Grabenbruchs im Roten Meer. Rechts unten derselbe Abschnitt in der bisherigen Auflösung. © N. Augustin, GEOMAR

Rätsel im Roten Meer: Dieses erdgeschichtlich junge Meer schien nach bisheriger Vorstellung einen anderen Geburtsprozess zu durchlaufen als alle anderen Ozeane. Deutsche und saudi-arabische Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass dieses Bild nicht stimmt: Salzgletscher haben das Modell verfälscht, schreiben sie in der Fachzeitschrift „Earth and Planetary Science Letters“.

Pazifik, Atlantik und Indischer Ozean, dazwischen die Landmassen von Amerika, Europa, Asien, Afrika und Australien – so kennen wir unsere Erde. Aus Geologen-Sicht ist das jedoch nur eine Momentaufnahme: Durch die Plattentektonik sind die Kontinente ständig in Bewegung. Im Laufe der Erdgeschichte haben sich so immer wieder einzelne Platten zu unterschiedlichen Kontinenten zusammengefügt und wurden wieder gespalten: Vulkanische Aktivitäten können einen Kontinent dehnen und so die Erdkruste ausdünnen. Schließlich reißt die Kruste auf, zwei Teilstücke driften auseinander und ein neues Ozeanbecken entsteht dazwischen.

Viele kleine Risse statt eines Grabens

Das Rote Meer liegt in einer solchen Spalte: Die Arabische Halbinsel und Afrika bewegen sich hier voneinander weg. Es ist einer der wenigen Orte der Erde, an dem die Spaltung eines Kontinents und die Entstehung eines Ozeans derzeit zu beobachten sind. Ausgerechnet das Rote Meer passt jedoch nicht ins typische Bild der Ozeanentstehung: Anstatt mehr oder weniger zeitgleich entlang einer ganzen Linie aufzureißen, scheinen hier mehrere kleine Risse zu existieren, die sich nur allmählich miteinander vereinen. Dies sollte zu einer relativ langsamen Entstehung des Ozeans führen, verglichen mit dem üblichen Modell.

Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der King Abdulaziz Universität (KAU) in Jeddah (Saudi Arabien) haben diesen Riss in der Erdkruste darum genau unter die Lupe genommen. Sie kartierten den Meeresboden, nahmen Bodenproben. Durch die wechselnde Polarisierung des Erdmagnetfelds bildet sich in der Ausrichtung magnetischer Sedimente im Ozeanboden ein charakteristisches Streifenmuster. Magnetische Modellierungen lieferten den Forschen daher weitere Erkenntnisse.

Schematische Darstellung vom Aufbrechen des Roten Meers. Salzgletscher schoben sich stellenweise über den Riss und verdecken noch heute teilweise den durchgehenden Grabenbruch. © N. Augustin, GEOMAR

Salz verhält sich wie Teer

„Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die frühen Stadien ozeanischer Becken und ändern im Speziellen die Lehrmeinung über das Rote Meer“ sagt Nico Augustin vom GEOMAR, Erstautor der aktuellen Studie. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Rote Meer keine Ausnahme darstellt, sondern sich in die Reihe der anderen Ozeanbecken einreiht“, betont Augustin. Wie kam es aber dann zum bisherigen Modell mit dem Roten Meer als Ausnahme-Ozean?

Die Antwort der Geologen: Sogenannte Salzgletscher haben das Bild des Untergrunds im Roten Meer verfälscht. In frühen Phasen seiner Entstehung war das Gebiet von einem sehr flachen Meer bedeckt, das wiederholt austrocknete. Dabei sind mächtige Salzablagerungen entstanden, die später zusammen mit der kontinentalen Kruste aufrissen. Über geologische Zeiträume verhält sich Salz wie Teer und fängt an zu fließen.

Die neuen, hochauflösenden Karten des Meeresbodens und die magnetischen Modellierungen zeigen, wie diese gletscherartigen Salzflüsse in den neu entstandenen Ozeangraben flossen, erklärt Augustin. Dies geschah jedoch nicht gleichmäßig auf ganzer Länge des Risses zwischen Arabischer Platte und Afrika: Weil die Bruchstelle nur stellenweise vom Salz überdeckt wurde, entstand der Eindruck mehrerer kleiner Risse.

Folgen für Forschung und Wirtschaft

Die Folgen der Entdeckung sind nach Angaben der Forscher tiefgreifend für die Geologie: Einerseits scheint es tatsächlich weltweit nur einen einzigen Mechanismus für das Aufreißen eines Kontinents zu geben. Das Rote Meer hat seinen geologischen Ausnahmestatus verloren. Andererseits ist noch nicht bekannt, wie viel Ozeankruste vom Salz verdeckt wird. Dadurch lässt sich nicht genau sagen, wie viel neue Kruste sich an den Rändern des Grabens bislang gebildet hat – die bisherigen Datierungen, wann im Laufe der Erdgeschichte sich das Rote Meer öffnete, sind damit in Frage gestellt.

Hinzu kommt, dass im vulkanisch aktiven Grabenbruch des Roten Meeres, umzingelt von Salzgletscher, eine gigantische Senke gefüllt mit einer heißen, sehr salzhaltigen Lösung liegt. „Da das Sediment in der Salzlösung reich an Metallen ist, ist dieses sogenannte Atlantis II Tief auch von wirtschaftlichem Interesse“, sagt Koautor Colin Devey vom GEOMAR. Es ist durchaus vorstellbar, dass im Laufe der Erdgeschichte ähnliche, mit Vulkanismus und Salzablagerungen assoziierte Lagerstätten auch während der Öffnungsphase anderer Ozeane entstanden.

„Unsere Untersuchungen helfen also einerseits, alte Forschungsfragen zu klären. Andererseits bieten sie Ansatzpunkte für neue Untersuchungen in allen Ozeanen“, sagt Augustin.

(Earth and Planetary Science Letters, 2014; doi: 10.1016/j.epsl.2014.03.047)

(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, 30.04.2014 – AKR)

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