Teures „extra-vergine“-Olivenöl oder billiges Massenprodukt? Wissenschaftler aus der Schweiz haben eine Methode entwickelt, die Fälschungen und Etikettenschwindel deutlich schwerer machen soll: Sie markieren Olivenöl mit DNA-haltigen Nanopartikeln. Die Markierung ist unsichtbar, billig und leicht nachweisbar – aber werden Kunden einen solchen Zusatz im Qualitäts-Öl akzeptieren?
Hochwertige und teure Lebensmittel zu fälschen oder mit Produkten niedriger Qualität zu strecken ist ein lukratives Geschäft: Interpol und Europol beschlagnahmten in einer gemeinsamen Aktion in 33 Ländern im Dezember 2013 und Januar 2014 mehr als 1.200 Tonnen gefälschte oder minderwertige Lebensmittel und fast 430.000 Liter gefälschte Getränke. Der illegale Handel werde von organisierten, kriminellen Gruppen betrieben, die damit Millionenprofite erzielten, schreiben die Behörden. Zur beschlagnahmten Ware zählten auch mehr als 131.000 Liter Öl und Essig.
Weltweit gibt es daher einen großen Bedarf an fälschungssicheren Markierungen für solche Nahrungsmittel. Es liegt nahe, einem Produkt wie Olivenöl eine spezifische Substanz in kleiner Menge beizumischen, um das Öl so unverwechselbar zu „etikettieren“. Ist die Konzentration dieses Etiketts im Öl zu niedrig, wurde das Top-Produkt mit billigem Öl gepanscht. Fehlt es ganz, so wurde lediglich eine teure Bezeichnung auf ein billiges Öl geklebt.
Hohe Anforderungen für sichere Etiketten
Ein solches Etikett muss aber bestimmte Kriterien erfüllen: Vor allem natürlich muss es unschädlich für den Verbraucher sein, lange haltbar und möglichst billig. Einerseits sollte es unsichtbar sein, um das Aussehen des markierten Lebensmittels nicht zu verfälschen. Andererseits aber muss es auch in kleinen Mengen leicht nachweisbar sein. Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben zu diesem Zweck Nanopartikel entwickelt, die ein Stück künstliche DNA enthalten.
„Bei der DNA gibt es Millionen von Möglichkeiten, die als Codes verwendet werden können“, erklärt Robert Grass von der ETH. In ein winziges Stückchen künstliches Erbmaterial lassen sich also fast beliebige Informationen für eine individuelle Markierung schreiben. Außerdem liegt die Nachweisgrenze für DNA sehr niedrig, und nahezu jedes medizinische Labor kann sie mit Standardmethoden analysieren.
Erfolgreiche Labortests
Allerdings gab es einige Nachteile zu überwinden: Ein lebender Organismus pflegt seine DNA, synthetisiert neues Material oder repariert es. Außerhalb des Körpers dagegen fehlt diese Reparatur und die DNA ist anfällig gegenüber Licht, Temperatur und anderen Umwelteinflüssen. Die ETH-Forscher umhüllten ihre DNA-Markierungen darum mit einer dünnen Schutzschicht aus widerstandsfähigem Silikon – es entsteht eine Art „synthetisches Fossil“, wie sie es bezeichnen. Diese Hülle enthält außerdem magnetische Nanopartikel aus Eisenoxid: mit einem Magneten lässt sich die DNA-Markierung so leicht wieder aus dem Olivenöl heraus fischen.
Experimente im Labor zeigten, dass sich die winzigen Etiketten im Öl gut verteilten und zu keinen optischen Veränderungen führten. Sie blieben auch bei Erhitzen stabil und überstanden einen Alterungsversuch unbeschadet. Mit einer fluoridhaltigen Lösung gewannen die Forscher die DNA aus den Silikonpartikeln zurück und analysierten sie. Dazu reicht eine Ölprobe von etwa einem Milliliter, die etwa ein Nanogramm der Partikel enthält.
Winzige Mengen reichen
Nur ein paar Gramm der Partikel reichen aus, um die gesamte Olivenöl-Jahresproduktion Italiens zu markieren. „Unglaublich kleine Mengen von Partikeln bis zu einem Millionstelgramm pro Liter und ein winziges Volumen von einem Tausendstelliter genügten, um die Authentizitätstests der Ölprodukte durchzuführen“, schreiben die Forscher. Diese niedrigen Mengen senken den Preis der Etikettierung auf rund 0,02 Cent pro Liter, so die Forscher.
Auch das Panschen könnte so nachgewiesen werden: Entspricht die Konzentration der Nanopartikel nicht dem ursprünglichen Wert, muss anderes, vermutlich minderwertiges Öl zugemischt worden sein. Und nicht nur Olivenöl, sondern auch Benzin oder Kosmetika ließen sich mit dieser Methode markieren. In ihren Versuchen etikettierten die Forscher erfolgreich teures Bergamottöl, das als Parfümrohstoff verwendet wird.
Unschädlich, erlaubt – aber akzeptiert?
Eine Frage allerdings bleibt offen: Werden die Verbraucher teures „extra-vergine“-Olivenöl kaufen, wenn darin künstliche DNA-Nanopartikel schwimmen? „Das sind Dinge, die wir bereits heute zu uns nehmen“, sagt Grass. Silikonpartikel kämen unter anderem in Ketchup und Orangensaft vor. Und auch Eisenoxid ist als Nahrungsmittelzusatz E172 erlaubt. Anstelle von künstlicher DNA ließe sich auch natürliches Erbmaterial verwenden, zum Beispiel aus exotischem Obst oder Gemüse. Solche Zusätze würden möglicherweise eher akzeptiert, spekulieren die Forscher.
Grass gibt als Erfinder der Methode aber eine gewisse Voreingenommenheit zu: „Ich habe das Bedürfnis zu wissen, woher ein Nahrungsmittel kommt und wie rein es ist.“ Bei gepanschter Ware habe man keine Ahnung, was drinstecke. „Da ist es mir lieber zu wissen, welche Partikel absichtlich zugefügt wurden.“ (ACS Nano, 2014; doi: 10.1021/nn4063853)
(ETH Zürich, 25.04.2014 – AKR)