Klein, aber oho: Das männliche Y-Chromosom galt lange als kümmerliches Relikt, zum Verschwinden verurteilt. Jetzt zeigen zwei neue Studien: Das kleine Chromosom ist nicht nur sehr langlebig. Seine Gene steuern auch mehr als nur die männliche Fortpflanzung. Ihre regulierende Wirkung prägt Zellen in unserem gesamten Körper, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Das Y-Chromosom ist im Vergleich zu seinem weiblichen Gegenpart, dem X-Chromosom, ziemlich kümmerlich: Es ist nur ein Drittel so groß und enthält gerade einmal ein Fünftel so viele Gene. Im Laufe seiner 300 Millionen Jahre langen Evolution hat es hunderte von DNA-Sequenzen verloren. Dennoch hat es eine wichtige Aufgabe: Das Y-Chromosom wird gebraucht, um das Programm zu durchkreuzen, das für die Entwicklung des Standardgeschlechts sorgt – den Frauen.
Erst die Gene, die auf dem männlichen Geschlechtschromosom liegen, unterdrücken dieses Programm und fördern die Ausbildung der typisch männlichen Geschlechtsmerkmale. Dies galt bisher als Hauptgrund dafür, dass es dieses Chromosom trotz Schrumpfung noch gibt.
Trotz Schrumpfung langlebig
Zwei Forschergruppen haben die Evolution des Y-Chromosoms und seine Genzusammensetzung nun genauer untersucht – und werfen ein neues Licht auf den unverzichtbaren Winzling. Diego Cortez von der Universität von Lausanne und seine Kollegen belegen durch einen Genvergleich von 15 Säugetieren, Beuteltieren und Vögeln, dass das männliche Geschlechtschromosom schon vor rund 180 Millionen Jahren entstand.