Tanz der Schwarzen Löcher: Zum ersten Mal haben Astronomen ein Doppelsystem von Schwarzen Löchern im Kern einer nicht aktiven Galaxie nachgewiesen. Normalerweise bleiben solche Paare im Dunkel verborgen und lassen sich nur durch großen Zufall aufspüren, wie das Forscherteam aus China und Deutschland im „Astrophysical Journal“ schreibt. Ein Trick mit einem Röntgensatelliten half dem Zufall jedoch auf die Sprünge.
Im Zentrum fast jeder größeren Galaxie befindet sich ein massereiches Schwarzes Loch, so die verbreitete Annahme unter Astronomen. Finden sich gleich zwei Schwarze Löcher im Herzen einer Galaxie, so gilt das als Beweis, dass sie durch die Verschmelzung zweier Galaxien entstanden ist. Für Astronomen bieten solche Systeme Erkenntnisse darüber, wie die Galaxien im Universum sich zu ihrem heutigen Erscheinungsbild entwickelt haben.
Nur aktive Galaxien leuchten ständig
Allerdings sind solche Doppelsysteme nur schwer zu finden: Normalerweise lassen sich nur sogenannte „aktive Galaxien“ direkt beobachten. Die Schwarzen Löcher in den Kernen solcher Galaxien reißen ständig Gaswolken auseinander und verleiben sie sich ein. Das Gas heizt sich dabei so stark auf, dass es helle Röntgenstrahlung aussendet. Aus solchen aktiven Galaxien ist bislang nur eine Handvoll Kandidaten bekannt, in deren Zentrum mehr als ein einzelnes Schwarzes Loch vorliegen könnte.
In nicht aktiven Galaxien bleiben die zentralen Schwarzen Löcher normalerweise unsichtbar, ein Doppelsystem ließ sich daher nicht nachweisen – bis jetzt. Sporadisch leuchten auch die Kerne dieser Galaxien auf, wenn nämlich ein ganzer Stern in das Schwarze Loch stürzt. Allerdings sind diese unvorhersehbaren Ereignisse nur dann sichtbar, wenn zufällig gerade ein Röntgenteleskop in die richtige Richtung blickt. „Es könnte eine ganzen Population von nicht aktiven Galaxien geben, die binäre Schwarze Löcher in ihren Zentren aufweisen“, sagt Koautorin Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Newton misst auch zwischen Messungen
Mit einem Trick hatten die Astronomen dennoch Erfolg bei der Suche eines solchen Röntgensignals: Sie ließen den ESA-Röntgensatelliten XMM-Newton auch dann Daten aufzeichnen, während er von einer regulären Messposition zur nächsten schwenkte. Auf diese Weise erfasst er, wenn auch flüchtig, eine große Anzahl von zufällig verteilten Positionen am Himmel und kann auch bislang unbekannte oder unerwartete Röntgenquellen finden. Bereits im Jahr 2010 zeichnete XMM-Newton eine solche Quelle auf, aus Richtung der Galaxie SDSS J120136.02+300305.5 in rund zwei Milliarden Lichtjahren Entfernung.
Innerhalb weniger Tage danach setzten Komossa und ihre Kollegen ausführliche Nachfolgebeobachtungen mit XMM-Newton und dem NASA-Satelliten Swift an. Die von der Galaxie ausgesandte Röntgenstrahlung nahm langsam, aber stetig ab. Dies war zunächst nicht ungewöhnlich, denn es stimmt mit dem erwarteten Erscheinungsbild für das Auseinanderreißen eines Sterns durch ein extrem massereiches Schwarzes Loch überein.
Modellrechnung erklärt Überraschung
Nach etwa vier Wochen erfolgte aber etwas Überraschendes: Das Röntgensignal fiel plötzlich unter die Nachweisgrenze. Weitere drei Wochen später wurde es wieder sichtbar und folgte weiterhin einer erwarteten Abschwächung, als ob nichts geschehen wäre. Fukun Liu von der Peking-Universität in China und seine Kollegen können dieses Flackern erklären: „Es ist genau das, was wir von einem Paar sich umkreisender supermassereicher Schwarzer Löcher erwarten würden“, sagt Liu.
Seine Modellrechnungen von Paaren von Schwarzen Löchern sagen vorher, dass die Röntgenstrahlung plötzlich verlischt und wenig später wieder messbar wird. Der Grund dafür ist, dass die Gravitation von einem der Schwarzen Löcher den Materiefluss auf das andere unterbricht und damit zeitweise die Brennstoffversorgung für den Ausbruch von Röntgenstrahlung aufhebt.
Schwarze Löcher werden verschmelzen
Auch das endgültige Schicksal der beiden Schwarzen Löcher ist dem Modell nach klar vorherbestimmt: Ihr Abstand beträgt nur etwa 17 Lichtstunden, das entspricht gerade mal der Ausdehnung unseres Sonnensystems. Daher werden die Schwarzen Löcher sich auf einer spiralförmigen Bahn immer weiter annähern, bis sie schließlich in ca. zwei Millionen Jahren zu einem einzigen Schwarzen Loch verschmelzen.
Für ein solches Ereignis wird die Freisetzung einer gewaltigen Energiemenge erwartet, die jedoch überwiegend nicht in Form von Röntgenstrahlung erfolgt. „Die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher dürfte die stärkste Quelle für Gravitationswellen im ganzen Universum darstellen“, sagt Liu.
Nach dem Aufspüren des ersten Kandidaten für ein binäres Schwarzes Loch in einer nicht-aktiven Galaxie ist die Suche nach weiteren Ereignissen dieser Art in vollem Gange. Die systematischen XMM-Newton-Beobachtungen während der Schwenks werden fortgesetzt. Und mit dem ersten Erfolg wird auch das Interesse für ein Netzwerk von Röntgenteleskopen zur Suche nach solchen Ereignissen am ganzen Himmel angespornt.
„Mit tausenden von solchen Ereignissen werden wir in der Lage sein, verlässliche statistische Aussagen darüber abzuleiten, in welcher Rate Galaxien miteinander verschmelzen“, erwartet Komossa. (Astrophysical Journal, 2014; doi: 10.1088/0004-637X/786/2/103)
(Max-Planck-Institut für Radioastronomie, 23.04.2014 – AKR)