Archäologie

„Frau Jesu“-Papyrus doch authentisch?

Neue Tests sprechen für die antike Herkunft des umstrittenen Fragments

Zu eckig und schlampig um authentisch zu sein? Ausschnitt aus dem Papyrus. © historisch

Ein Stück Papyrus, auf dem von einer Frau Jesu die Rede ist, sorgt für Zündstoff. Denn ist das Fragment authentisch, wäre dies ein einzigartiger Einblick in die Rolle der Frau im Urchristentum. Viele halten es aber für eine Fälschung. Jetzt wurden neue Tests durchgeführt, deren Ergebnisse für die Echtheit des Papyrus-Stücks sprechen. Demnach stammt es tatsächlich aus der Antike.

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„Jesus sprach zu ihnen: Meine Frau…sie wird für mich Jünger sein können…“ – Diese Worte finden sich auf dem Papyrus-Fragment, um das es geht. Sie sind in einem koptischen Dialekt geschrieben und sollen aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeit stammen. Die Kirchenhistorikerin Karen King von der Harvard University hatte das Fragment im Jahr 2012 entdeckt und der Öffentlichkeit vorgestellt.

Neues Licht auf Rolle der Frau im frühen Christentum

Der Inhalt scheint auf den ersten Blick anzudeuten, dass Jesus von Nazareth tatsächlich eine Frau hatte. Doch nach Ansicht von King ist das nicht unbedingt der Fall. Stattdessen gehe es in diesem von frühen Christen verfassten Dokument vielmehr darum, ob es für weibliche Jünger besser sei, zölibatär zu leben oder ob sie heiraten und Kinder bekommen dürfen. „Das Hauptthema des Fragments ist es zu betonen, dass Frauen, die Mütter und Ehefrauen sind, trotzdem Jünger Jesu sein können – ein Thema, dass im frühen Christentum heiß umstritten war“, erklärt die Forscherin.

Wer der Autor dieses Schriftstücks war und ob es sich um einen eigenen Text handelt oder ein Abschrift eines älteren Textes, ist unbekannt. Das nur acht Zentimeter breite und vier Zentimeter hohe Fragment ist zu klein, um definitive Rückschlüsse über seine Herkunft und den Schreiber zu erlauben. Aus dem Kontext des Textes schließen King und ihre Kollegen aber, dass es sich um frühe Christen handeln muss.

…oder nur moderne Fälschung?

Unabhängig vom Inhalt ist heute aber vor allem die Authentizität des Papyrus umstritten. Einige Forscher bezweifeln die Echtheit des Dokuments und halten es für eine moderne Fälschung. Sie machen dies vor allem an der Beschriftung fest: Sie sei ungewöhnlich schlampig ausgeführt. Während authentische koptische Dokumente mit variierender Schriftdicke und subtilen Kurven und Details ausgeführt sind, scheinen die Buchstaben auf dem Fragment eher steif, gerade und alle gleich dick.

Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass die Beschriftung nicht mit den in der Antike üblichen Schreibwerkzeugen ausgeführt wurde, einem römischen Metallstift oder einer ägyptischen Rohrfeder. Der Ägyptologe Leo Depuydt konstatiert: „Ich persönlich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass das ‚Frau Jesu‘-Fragment eine Fälschung ist.“ Seiner Ansicht nach wurde ein alter Papyrus benutzt und mit künstlich auf alt getrimmter Tinte beschrieben. Darauf deuteten auch grammatikalische Fehler im Text hin.

Der Theologe Francis Watson von der Durham University sieht nach Analyse der Textteile zudem Ähnlichkeiten zum Thomas-Evangelium. „Der Text wurde aus kleine Stücken, und Phrasen aus dem koptischen Evangelium des Thomas konstruiert und in einen neuen Kontext gesetzt“, vermutet er. Diese Kollage-Technik wäre für einen antiken Autor eher ungewöhnlich, nicht aber für einen modernen Fälscher mit nur begrenzter Kenntnis des koptischen.

Neue Tests bestätigen hohes Alter

Um diesen Verdacht zu widerlegen, haben King und ihre Kollegen in den letzten zwei Jahren erneut umfangreiche Tests in Auftrag gegeben. Darunter waren zwei Radiokarbontests, die das Fragment auf die Zeit zwischen 650 und 850 nach Christus datieren Eine Analyse mittels Infrarot-Spektroskopie bestätigte zudem, dass die chemische Zusammensetzung des Papyrus und die Alterungsspuren für seine Echtheit sprechen.

Test mit Hilfe der Mikro-Raman-Spektroskopie sollen zudem bestätigt haben, dass die Tinte chemisch mit Proben authentischer Schriftstücke aus den ersten Jahrhunderten nach Christus übereinstimmt. Mikroskopische Untersuchungen hätten zudem Indizien dafür erbracht, dass die Beschriftung bereits in der Antike, nicht erst in heutiger Zeit aufgetragen wurde. Denn viele der altersbedingten Schäden seien nach Beschriftung entstanden. Auch Hinweise darauf, dass Schlüsselstellen im Text nachträglich verändert wurden, beispielsweise beim Passus „meine Frau“, fanden die Untersuchungen nicht.

Streit nicht beigelegt

„Es gibt absolut keine Hinweise auf eine moderne Fälschung“, konstatiert der Chemiker Timothy Swager vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Und es wäre angesichts der durchgeführten Tests sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. King und ihre Kollegen schließen daraus, dass Fragment samt Text authentisch sein müssen. Die Kritiker des „Frau Jesu“-Fragments sehen ihre Argumente allerdings auch durch die neuen Tests nicht restlos widerlegt. Die Frage, ob im frühen Christentum ein verheirateter Jesus erwähnt wurde, bleibt daher vorerst offen.

(Harvard University / Durham University, 17.04.2014 – NPO)

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