Medizintechnik

Auge: Sehzellen unter Laserbeschuss

Neue Methode liefert Informationen über verschaltete Zellen im lebenden Auge

Sinnesorgan Auge. © MMCD

Laserstrahl auf ein bewegtes Ziel: Millionen von Sehzellen drängen sich auf der Netzhaut des menschlichen Auges und sind ständig in Bewegung. Jetzt haben Forscher erstmals eine Methode entwickelt, um sie einzeln mit einem Laser anzuregen. Dies hilft zu erforschen, wie das Auge Lichtreize zu Bildern verarbeitet. Außerdem könnte es zeigen, wie Krankheiten die Lichtsinneszellen verändern, so die Wissenschaftler im „Journal of Neuroscience“.

In einem menschlichen Auge gibt es rund 120 Millionen lichtempfindliche Sinneszellen. Diese Sehzellen sind in der Netzhaut durch Nervenzellen miteinander verschaltet. Hier finden bereits grundlegende Schritte der Bildverarbeitung statt – die Netzhaut ist also streng genommen schon Teil des Gehirns. Die Funktion einzelner Lichtsinneszellen ließ sich bislang nur an Gewebepräparaten studieren. Welcher Sinneseindruck im Menschen entsteht, wenn man ganz gezielt bestimmte Zellen stimuliert, lässt sich so jedoch nicht erforschen. Wie genau das Signal einer einzelnen Sehzelle übertragen wird und wie das Zusammenspiel der Zellen funktioniert, ist daher noch unklar.

Augen halten nicht still

Einzelne Lichtsinneszellen zu stimulieren, ist alles andere als einfach: Zum einen sind unsere Augen nie wirklich ruhig, auch wenn wir einen Punkt fixieren. Die Sehzelle, die stimuliert werden soll, bewegt sich also ständig hin und her. Diese Bewegung lässt sich willentlich nicht unterbinden. Außerdem ist das Auge aus optischer Sicht keineswegs perfekt: So ist die Linse nicht so geformt, dass sie ein absolut scharfes Bild erzeugen würde. Das einfallende Licht wird wie durch ein Prisma in alle Regenbogenfarben aufgefächert und beim Weg durch den Augapfel weiter gestreut. Aus einem scharfen Punkt wird so auf der lichtempfindlichen Netzhaut ein verschmierter Fleck.

Wissenschaftler um Wolf Harmening von der Universitäts-Augenklinik Bonn haben eine ausgeklügelte Apparatur entwickelt, mit der sich diese Probleme beheben lassen. Mit Computerhilfe können sie einen Laserstrahl so genau fokussieren, dass er trotz der optischen Schwächen im Auge einer Testperson nicht verschmiert und präzise eine einzelne Zelle treffen kann. Dazu verwenden die Forscher einen biegsamen Spiegel, ähnlich wie bei Hightech-Teleskopen in der Astronomie.

Forschern der Universität Bonn ist es zusammen mit US-Kollegen erstmals gelungen, gezielt einzelne Zapfen im Auge mit Laserlicht zu stimulieren und so ihre Funktion zu testen. © Lawrence Sincich

Ein weiteres Computerprogramm überwacht die Augenbewegung. Es schießt den Laserstrahl immer dann ab, wenn sich die gewünschte Zelle an der passenden Position befindet. „So stellen wir sicher, dass wir genau eine Zelle wiederholt stimulieren“, erklärt Harmening. Auf diese Weise können die Forscher die erzeugten Nervensignale den jeweiligen Zellen zuordnen. So lässt sich untersuchen, auf welche Weise die Signale einzelner Zellen miteinander verrechnet werden.

Einzel-Stimulation zeigt Verschaltung

Harmening und seine Kollegen konzentrierten sich in ihrer Studie zunächst auf die Farb-Sehzellen, die sogenannten Zapfen. Die Testpersonen nahmen schon dann einen Lichtreiz wahr, wenn bei ihnen bloß ein einzelner Zapfen mit Laserlicht stimuliert wurde. Allerdings musste die Lichtintensität dazu eine bestimmte Schwelle überschreiten. „Wir konnten zudem zeigen, dass die Wahrnehmungsschwelle am Rande des Sehfeldes erheblich höher liegt“, erklärt Erstautor Harmening.

Dies war allerdings wenig überraschend: Es ist bereits bekannt, dass am Rand der Netzhaut die Reize mehrerer Sinneszellen zusammengerechnet werden. Erst wenn die Gesamtintensität aus mehreren Zellen hoch genug ist, wird ein Signal weitergeleitet. Diese Verschaltung konnten die Wissenschaftler nun zum, ersten Mal direkt auf der Ebene einzelner Zellen untersuchen.

Einblicke in Augenkrankheiten

Hohe Erwartungen weckt die neue Methode für die Erforschung von Augenkrankheiten. „Bislang konnten wir nur sehen, wie sich die Netzhaut auf Zellebene verändert – ob beispielsweise die Zahl der Zapfen abnimmt“, so Harmening. Mit der neuen Methode lässt sich dagegen direkt prüfen, ob einzelne Zellen so arbeiten wie immer, oder ob sie in ihrer Funktion beeinträchtigt sind, erklärt der Mediziner.

Auch die Wirkung von Medikamenten lässt sich so direkt sichtbar machen – etwa, ob diese den Funktionsverlust der Sehzellen aufhalten oder zumindest bremsen können. Bislang ist man für derart detaillierte Untersuchungen auf Präparate aus verstorbenen Patienten oder auf Tiermodelle angewiesen. (The Journal of Neuroscience, 2014; doi: 10.1523/JNEUROSCI.5191-13.2014)

(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 16.04.2014 – AKR)

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