Biologie

„Lost City“ als Wiege des Lebens?

Alkalische Untersee-Geysire könnten einst die Bildung der ersten Zellen gefördert haben

Lost City: Ein Feld von Schwarzen Rauchern der besonderen Art © NASA/JPL

Das erste Leben könnte an einer besonderen Form von Untersee-Geysiren entstanden sein: An Schloten, die warmes, alkalisches Wasser ausstoßen. Denn im sauren Urmeer sorgte dieser Unterschied für gleich zwei wichtige Energiequellen des Lebens: einen Protonengradienten und freie Elektronen. Diese Hypothese stellen NASA-Forscher auf, nachdem sie diese seltene Form der Schwarzen Raucher genauer untersucht haben.

Die Idee, dass das Leben einst an warmen Untersee-Geysiren entstand, ist nicht neu. Denn die hydrothermalen Schlote der Ozeane sind auch heute noch Oasen des Lebens in der kargen Tiefsee. Allerdings ist die aus ihnen austretende Flüssigkeit zwar mineralienreich, aber sehr heiß und oft sehr sauer. Für die ersten Biomoleküle und Zelle keine optimalen Bedingungen.

Ungleichgewicht als Antrieb

Doch es gibt noch andere Schlote im Ozean, wie Forscher erst vor wenigen Jahren entdeckten. Ein solches hydrothermales Feld – Lost City – liegt beispielsweise im Nordatlantik. Dort geben die Untersee-Geysire nicht ganz so heiße Flüssigkeit ab und diese ist zudem alkalisch statt sauer. Genau das könnte auch in der Frühzeit der Erde das Entscheidende gewesen sein, vermuten nun NASA-Forscher um Michael Russell vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena.

„Das Leben zieht Vorteile aus unbalancierten Zuständen auf dem Planeten – und genau diese könnten vor Milliarden Jahren an diesen alkalischen hydrothermalen Schloten geherrscht haben“, erklärt Russell. Denn der umgebende Urozean enthielt große Menge gelösten Kohlendioxids und war daher sauer. Das aus den Schloten austretende Wasser aber war alkalisch. Dieses Ungleichgewicht könnte die Energie bereitgestellt haben, die die ersten Biomoleküle benötigen, so die Forscher.

Protonen und Elektronen

Gleich zwei Ungleichgewichte könnten dabei die Lebensentstehung gefördert haben: Zum einen führt der Säure-Basen-Unterschied zu einem Protonengradienten: Positive Protonen konzentrieren sich dabei an der Außenseite der Schlote, dort, wo Ablagerungen von Mineralien die geschützte Mikroumgebung für komplexe chemische Reaktionen schafften. Ähnlich wie auch heute noch an unseren Zellmembranen erzeugt dieser Unterschied zwischen außen und innen Energie, die chemische nutzbar wird.

Schwarze Raucher im Miniformat- nachgebildet im Labor © NASA/JPL

Zum zweiten könnte entlang dieser Krusten auch ein Austausch von Elektronen zwischen der Schlot-Flüssigkeit und dem Ozeanwasser stattgefunden haben. Und dieser Austausch ermöglichte es, dass sich aus einfachen Kohlenstoffverbindungen komplexere organische Moleküle zusammenlagerten. „In diesen Schloten haben wir damit ein geologisches System, das das tut, was auch das Leben auszeichnet: Es nutzt Protonengradienten und den Transfer von Elektronen“, erklärt Laurie Barge vom JPL.

Mineralkrusten als Katalysatoren

Und noch eine Eigenschaft der alkalischen Vents könnte dem ersten Leben zu Gute gekommen sein: Die dort abgelagerten Mineralien könnten eine wichtige Aufgabe heutiger Biomoleküle übernommen haben: Wie Enzyme könnte sie die chemischen Reaktionen katalysiert haben. Eines dieser Minerale verbirgt sich in dem sogenannten „grünen Rost“ an den Untersee-Geysiren. Wie die Forscher berichten, nutzt dieser Rost den Protonengradienten, um ein Phosphathaltiges Molekül zu erzeugen, ähnlich dem Energieträger ATP in unseren Zellen. Ein zweites Mineral ist das Metall Molybdän. Dieses fördert den Elektronentransfer und ist auch in unserem Körper in einer Reihe von Enzymen enthalten.

Noch ist dieses Szenario wenig mehr als eine Hypothese, angeregt durch die Beobachtungen an den alkalischen Schloten der Tiefsee. Die Forscher arbeiten an Experimenten, mit denen sie die Lebensentstehung an diesen hydrothermalen Schloten im Labor nachvollziehen wollen.

Sollte sich ihre Hypothese aber bestätigen, dann wirft dies auch ein neues Licht auf die Entstehung von Leben auf anderen Planeten und auf Monden mit subglazialen Ozeanen wie Europa und Enceladus. „Indem wir diese Hypothese testen, könnte wir auch erklären, wie das Leben auf diesen anderen Orten im Sonnensystem und darüber hinaus entstanden sein könnte – und wo man man besten danach sucht“, konstatiert Russell.

(NASA/JPL, 16.04.2014 – NPO)

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