Astronomie

Genaueste Messung der frühen Expansion

Quasare verraten Ausdehnung des Universums vor 10,8 Milliarden Jahren

Die Expansion unseres Universums liefert wichtige Informationen auch über die Dunkle Energie © Paul Hooper, Mat Pieri and Gongbo Zhao, ICG

Erstmals haben Astronomen ermittelt, wie schnell sich unser Kosmos vor 10,8 Milliarden Jahren ausdehnte – und damit vor Beginn der beschleunigten Expansion. Galaxien, die eine Million Lichtjahre auseinanderlagen, entfernten sich demnach mit 68 Kilometern pro Sekunde voneinander. Diese bisher genaueste Messung überhaupt liefert wertvolle Einblicke in die Entwicklung unseres Universums und in die Dunkle Energie.

Unser Universum dehnt sich immer weiter aus, das entdeckte schon 1929 der US-Astronom Edwin Hubble. Ihm war aufgefallen, dass das Licht ferner Galaxien stärker in den roten, langwelligen Bereich verschoben war als das von nahen. Inzwischen ist klar, dass dies nicht an der Eigenbewegung der Galaxien liegt, sondern an der Expansion des Raums selbst – also quasi der Matrix, in dem alle Himmelskörper sitzen. Die Rate der Ausdehnung des Universums wird heute durch die sogenannte Hubble-Konstante beschrieben.

Rätselhafte Beschleunigung

Doch diese Expansion ist nicht gleich geblieben: Seit etwa fünf Milliarden Jahren nimmt ihre Geschwindigkeit zu. Viele Forscher vermuten, dass die geheimnisvolle „Dunkle Energie“ für diese beschleunigte Ausdehnung eine Schlüsselrolle spielt. Sie gilt als abstoßende Gegenkraft zur Schwerkraft und damit als Antrieb für die Expansion. Die genauen Mechanismen und selbst die Natur dieser Dunklen Energie sind aber noch unbekannt.

„Die Expansionsrate über die gesamte Geschichte des Universums hinweg zu messen ist der Schlüssel, um die Natur der Dunklen Energie zu bestimmen“, erklärt Robert Nichol von der University of Portsmouth, einer der Mitarbeiter am Baryon Oscillation Spectroscopic Survey (BOSS), einem der bisher umfangreichsten Projekte zur Vermessung des frühen Universums. Denn wenn man weiß, wie schnell oder langsam die Expansion war, bevor die Dunkle Energie an Einfluss gewann, lässt sich dies als Referenzwert nutzen.

BOSS nutzt die Spektren von Quasaren, um die Dichteverteilung und Expansion des Universums zu ermitteln © Zosia Rostomian/ LBNL, Andreu Font-Ribera, BOSS Lyman-alpha team/ Berkeley Lab

Spektrum von Quasar als Messhilfe

Im Rahmen des BOSS-Projekts messen die Forscher subtile Schwankungen in der Verteilung der Materie im Universum. Diese haben ihren Ursprung schon in der Zeit vor Entstehung der ersten Galaxien und setzen sich dann in deren Verteilung fort. Ab einer Entfernung von rund sechs Milliarden Lichtjahren – entsprechend einer Rotverschiebung von 0,7 – sind diese Galaxien mit herkömmlichen Methoden allerdings nur noch schwer auszumachen.

Die Forscher des BOSS-Projekts nahmen daher andere Methoden zu Hilfe. Sie visierten insgesamt 140.000 Quasare an – aktive, starke Strahlung aussendende Galaxien im fernen Kosmos. Diese sehr hellen Strahlungsquellen sind auch über große Entfernungen gut sichtbar. Das entscheidende aber passiert auf ihrem Weg zur Erde: Das Licht dieser Quasare passiert interstellare Wasserstoffwolken, die bestimmte Wellenlängen des Lichts absorbieren. Im Lichtspektrum erscheinen diese Absorptionsspuren des Wasserstoffs als dunkle Linien, die sogenannten Lyman-Alpha-Linien. Je nach Entfernung der Wolke sind auch diese Linien leicht oder stärker in den roten Bereich verschoben.

Expansion vor 10,8 Milliarden Jahren

Die Spektren der Quasare verraten damit Größe, Entfernung und Dichte der fernen Wasserstoffwolken – ähnlich wie ein Röntgenstrahl nach Passage des Körpers dessen Zusammensetzung verrät. „Wir messen diese enormen Strukturen sowohl durch die Verteilung des Gases in ihnen als auch über die Positionen der Quasare selbst“, erklärt Nichol.

Und noch viel wichtiger: Aus diesen Daten konnten die Forscher auch die Expansion des Universums in der fernen Vergangenheit ermitteln. Ihre Messung reicht bis in eine Rotverschiebung von 2,34 zurück – und damit in ein Universum 10,8 Milliarden Jahre vor unserer Zeit. „So wie die Jahresringe eines Baumes sein Alter verraten, wird für uns jedes Quasarspektrum zu einem Archiv für die Geschichte des Universums“, sagt Matthew Pieri von der University of Portsmouth.

Leicht anders als erwartet

Den Daten nach betrug die Expansionsrate des Kosmos damals 68 Kilometer pro Sekunde pro eine Million Lichtjahre – plus/minus gerade 1,5 Kilometer pro Sekunde und Million Lichtjahre. Dies entspricht einer Genauigkeit bis auf 2,2 Prozent, wie die Forscher erklären. „Dies ist die genauste Messung des Hubble-Parameters für jede Rotverschiebung. Sie ist selbst besser als die Messungen, die wir für unser nahes, heutiges Universum besitzen“, sagt Andreu Font-Ribera vom Lawrence Berkeley National Laboratory, einer der BOSS-Teamleiter.

„Es gibt eine interessante Spannung zwischen unseren Messungen und dem, was man von den Beobachtungen des Kosmischen Hintergrunds erwarten würde“, sagt Pieri. Das sei seltsam, aber nicht so stark, um daraus schon Schlüsse ziehen zu können. „Diese Präzision dieser Messung gibt uns einen Hinweis, dass das Universum vielleicht doch nicht ganz so ist, wie wir dachten.“ (Journal of Cosmology and Astropartical Physics, 2014, in press; arXiv:1311.1767; Astronomy & Astrophysics, 29014, in press)

(University of Portsmouth / Lawrence Berkeley National Laboratory / BOSS, 08.04.2014 – NPO)

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