Überraschender Fund: Erstmals haben Forscher das Fossil einer Säbelzahnkatze in Norddeutschland entdeckt. Es ist 300.000 Jahre alt und damit der jüngste Fund dieses Urzeit-Raubtiers in Mitteleuropa. Die in der Nähe der Fossilien gefundenen Speere und Steinwerkzeuge belegen zudem erstmals, dass unsere Vorfahren und die Säbelzahnkatzen zeitgleich in dieser Gegend leben.
Starke, klauenbewehrte Pranken, lange, dolchartige Eckzähne und die Größe eines ausgewachsenen Löwen: Die Säbelzahnkatzen der Eiszeit waren furchterregende Raubtiere. In Europa war die Art Homotherium latidens verbreitet. Diese auch als Scimitar-Cat – Dolchkatze – bezeichnete Art hatte zehn Zentimeter lange, gekrümmte und mit messerscharfen Zacken besetzte Eckzähne. Vor 500.000 bis 300.000 Jahren starb diese Säbelzahnkatze aus. Ob sie vorher unseren Vorfahren begegnete, war bisher unklar.
Frühmenschen-Speere und Raubtierzähne
Ein neuer Fund klärt diese Frage nun. Im niedersächsischen Schöningen wurden bereits vor einiger Zeit die ältesten vollständigen Holzwaffen der Welt entdeckt: Rund 300.000 Jahre alte Speere, die vermutlich vom Frühmenschen Homo heidelbergensis angefertigt wurden. Zusammen mit ihnen haben Archäologen auch Knochenreste und Steingeräte dieser Menschen ausgegraben. Aus ihnen schließen die Forscher, dass Homo heidelbergensis an diesem ehemaligen Seeufer eine Art Jagdlager unterhielt, wahrscheinlich zur Jagd auf Urpferde.
Jetzt haben Forscher in unmittelbarer Nähe und in der gleichen Fundschicht auch Fossilien einer Säbelzahnkatze entdeckt. Die ausgezeichnet erhaltenen Raubtierreste bestehen bislang aus vier Zähnen und wenigen Knochen, die nach vorläufiger Untersuchung zu einem jungen erwachsenem Tier gehören. Es hatte eine Schulterhöhe von 1,1 Metern und ein Gewicht von rund 200 Kilogramm, wie die Forscher berichten.
Begegnung der gefährlichen Art
Mit dieser Entdeckung liegt der erste Fund von Homotherium latidens aus Norddeutschland vor. Die Schöninger Funde sind zudem der jüngste gesicherte Beleg für die Säbelzahnkatze vor ihrem Aussterben in Mitteleuropa. Gleichzeitig aber belegen die Überreste des Eiszeiträubers zum ersten Mal, dass der frühe Mensch und die Säbelzahnkatze zur gleichen Zeit am gleichen Ort lebten – sie müssen sich damals begegnet sein.
Nach Ansicht der Wissenschaftler ist es sehr gut möglich, dass sich Mensch und Säbelzahnkatze am Seeufer in Schöningen unmittelbar begegnet sind. Homo heidelbergensis hatte in diesem Fall nur eine Chance, sich gegen diesen hochgefährlichen Konkurrenten zu wehren: Er musste seine bis zu 2,3 Meter langen Holzspeere zur Verteidigung gegen die Raubtiere einsetzen. Vor diesem Hintergrund sind die Schöninger Speere und eine schwere Lanze als Jagd- und Verteidigungswaffen anzusehen, die das Überleben des Menschen in Mitteleuropa vor 300.000 Jahren ermöglichten.
Die Forscher setzen die Grabungen werden an der Fundstelle fort. Sie halten es daher für gut möglich, dass weitere Funde der Säbelzahnkatze helfen, das Verhältnis von frühem Mensch und Raubkatze noch genauer zu verstehen.
(Universität Tübingen, 02.04.2014 – NPO)