Physik

Schnellere Computer mit Drähten aus Diamant?

Spin statt Strom: Physiker übertragen Informationen durch magnetische Quanteneigenschaft

Rohdiamant © Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0

Diamant: als strahlender Schmuckstein begehrt, als härtestes Werkzeugmaterial geschätzt. Dass der Edelstein sogar Informationen übertragen kann, haben US-amerikanische Physiker nun erstmalig im Experiment gezeigt: Sie verfolgten, wie sich die Änderung des Elektronen-Spins durch einen Draht aus Diamant bewegt. Diese Entdeckung könnte den Weg zu neuen Transistoren eröffnen und die Spin-Forschung umkrempeln, wie die Forscher im Journal „Nature Nanotechnology“ erläutern.

Wissenschaftler auf der ganzen Welt suchen nach Wegen, um Computer noch leistungsstärker und schneller zu machen. Ein Ansatz dabei sind sogenannte „Spintronics“: Nicht der Strom von Elektronen durch die Leitung soll Informationen transportieren, sondern der Spin der Teilchen. Mit dem Spin beschreiben Quantenphysiker die magnetischen Eigenschaften eines Teilchens. Vereinfacht dargestellt handelt es sich um die Richtung, in die die Rotationsachse des Teilchens deutet: aufwärts oder abwärts. Elektronen verhalten sich demnach wie winzige Magneten, bei denen entweder der Nordpol oder der Südpol nach oben weist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dieser Spin umklappen, das Teilchen ändert sozusagen seine Rotationsrichtung.

Diamanten: elektronisch ziemlich langweilig

Genau dieses Phänomen haben Chris Hammel und seine Kollegen an der Ohio State University an Diamanten näher untersucht. Diamant hat einige Eigenschaften, die ihn als Material für Computer durchaus verlockend erscheinen lassen: Er ist transparent, hart, widerstandsfähig gegen Verschmutzung und Korrosion, und heizt sich wesentlich weniger stark auf als derzeit verwendete Halbleiter. Allerdings gibt es einen großen Nachteil – Diamant leitet keinen elektrischen Strom. „Man kann praktisch nichts damit anfangen“, so Hammel. „Für einen Wissenschaftler sind Diamanten ziemlich langweilig.“

Dennoch waren die Wissenschaftler neugierig, ob sich Diamant für eine spintronische Leitung statt einer elektronischen verwenden lässt. In einem winzigen Draht aus Diamant wurden sie fündig: Spin-Information wird im Draht offenbar von einem Ende zum anderen weitergeleitet. Hammel vergleicht den Prozess mit Zuschauern in einem Sportstadion, die „die Welle“ machen: In geordneter Reihe ändert ein Elektron nach dem anderen seinen Spin, reicht die Information an seinen Nachbarn weiter und klappt wieder zurück. „Wenn dieser Draht Teil eines Computers wäre, würde er Informationen übermitteln“, erklärt der Forscher. „Es gibt keinen Zweifel, dass man am Ende des Drahtes erkennen kann, wie der Spin-Zustand des Teilchens am Anfang war.“

Durchbruch mit hochauflösender Messtechnik

Möglich war diese Entdeckung durch die aufwändige und hochauflösende Messtechnik. Die Physiker untersuchten einen winzigen Draht aus synthetischem Diamant von nur vier Mikrometern Länge und 200 Nanometern Breite. Den Preis des Diamantdrahtes beziffert Hammel mit rund 100 US-Dollar als relativ günstig, da es sich um synthetischen Industriediamant handelt. Dieser Draht musste für Messungen mit einem Rasterkraft-Magnetmikroskop drastisch gekühlt werden: Das Experiment fand bei minus 269 Grad Celsius statt. Bei der mikroskopischen Messung gleitet ein winziger Magnetarm an einem Hebel über den Draht, und je nach Spin der Teilchen darunter wird er abgestoßen oder angezogen. Mit dieser Technik ist es möglich, Abschnitte mit einer Länge von nur 50 Nanometern zu vermessen – das entspricht einem Abstand von etwa 15 Atomen im Draht.

Diese hohe Auflösung unterscheidet das Experiment von bisherigen Untersuchungen. Anstatt nur den Draht als Ganzes betrachten zu können, beobachteten die Wissenschaftler einzelne Abschnitte. So konnten sie verfolgen, wie die Spin-Änderung den Draht von einem Ende zum anderen durchquert.

„Konventionelle Betrachtungen müssen überprüft werden“

Normalerweise zeigt Diamant überhaupt keine Spin-Eigenschaften: Seine Kohlenstoffatome sitzen dicht gepackt, die Elektronen hängen paarweise zusammen, wodurch sich ihr Spin aufhebt. Ähnlich wie ein Halbleiter mit Fehlstellen dotiert wird, spickten die Physiker den synthetischen Diamanten daher mit Stickstoff: auf drei Millionen Kohlenstoffatome kam ein Stickstoffatom. Mit dem Stickstoff gelangen auch ungepaarte Elektronen, deren Spin sich messen lässt, in das Material.

Die Entdeckung, dass mit dem Spin Informationen in gerichteter Weise übermittelt werden können, ist mehr als nur der erste Schritt auf dem Weg zu diamantenen Transistoren. Vielmehr deutet sie Hammel zufolge darauf hin, dass die Spinforschung sich grundsätzlich ändern müsse: „Die Tatsache, dass Spin sich auf diese Art bewegen kann, bedeutet, dass die konventionellen Betrachtungen der Spindynamik auf makroskopischer Ebene neu überprüft werden müssen – sie sind offenbar nicht korrekt.“

(Nature Nanotechnology, 2014; doi: 10.1038/nnano.2014.39)

(Ohio State University, 24.03.2014 – AKR)

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