Hauptsache, die Menge stimmt? Ein hungriger Hund, entscheidet sich für den volleren von zwei Fressnäpfen, wenn er die Wahl hat, sollte man meinen. In Wirklichkeit ist es aber anders: Hunde neigen, wie wir Menschen auch, zu dem eher paradoxen „weniger ist mehr“-Prinzip, wie US-Forscher in der Zeitschrift „Animal Cognition“ berichten.
Fast immer ist die Hundenase auf der Suche nach etwas Essbarem. Bieten wir unseren vierbeinigen Freunden etwas Leckeres an, dann schlagen sie sofort zu. Doch was, wenn sie vor die Wahl gestellt werden, wenn sie sich spontan zwischen verschiedenen Angeboten entscheiden müssen? Das haben Wissenschaftler von der Universität Kentucky nun untersucht. Sie wollten wissen: Ist die Qualität oder eher die Quantität für die Hunde entscheidend?
Auch für Hunde ist weniger oft mehr
Zehn Hunde verschiedener Rassen fütterten die Forscher zunächst in Vorexperimenten mit Käse oder Babymöhren. Alle Hunde zeigten dabei eine Vorliebe für den Käse. In dem eigentlichen Experiment stellten die Wissenschaftler die Hunde dann vor die Wahl: Ein Stück Käse oder ein Stück Käse zusammen mit Möhren. Überraschenderweise gaben die Hunde der kleineren Portion den Vorzug und entschieden sich für den einzeln angebotenen Käse.
Beim Menschen und beim Affen ist dieser sogenannte „weniger ist mehr“-Effekt bereits bekannt. So schätzten Menschen in einer Studie etwa den Wert von sechs Baseball-Karten in gutem Zustand höher ein, als den eines gleichen Satzes Karten, der zusätzlich noch drei Karten in schlechterem Zustand enthielt. Ein vergleichbarer Effekt wurde in Studien mit Affen beobachtet. Die Tiere, mit denen diese durchgeführt wurden, fraßen sowohl Trauben als auch Gurken. Wenn sie die Auswahl hatten, zogen sie aber eine einzelne Traube einer Kombination aus einer Traube und einem Stück Gurke vor. Affektheuristik, so bezeichnen Experten diesen Effekt, der als eine Art mentaler Kurzschluss gesehen werden kann.
Bei der Konkurrenz um Futter ist Schnelligkeit gefragt
Eine solche Auswahl erscheint eher paradox. Die Forscher gehen davon aus, dass der Grund hierfür in einem zeitlichen Vorteil liegen könnte. In den meisten Fällen ist es einfacher, die durchschnittliche Qualität zu bewerten, als die Gesamtmenge der angebotenen Alternativen einzuschätzen. In Fällen, in denen schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, kann der „weniger ist mehr“-Effekt durchaus von Vorteil sein. Wenn ein Rudel Hunde beispielsweise zusammen frisst, dann wird ein zögerlicher Hund weit weniger abbekommen, als einer, der seine Wahl schnell trifft.
Ein Hund jedoch wählte in dem Experiment die Käse-Möhren-Variante. Diese Ausnahme widerspricht aber keineswegs der Deutung der Wissenschaftler: Der eine Hund, der nicht dem „weniger ist mehr“-Prinzip folgte, verbrachte sein Leben in Tierheimen, wo er sich oft alleine durchschlagen musste. So war er nicht darauf angewiesen, sich möglichst schnell zu entscheiden, um sich Konkurrenten gegenüber einen Zeitvorteil zu verschaffen.
Ist auch für weniger sozial organisierte Arten weniger mehr?
„Diese Forschung zeigt, dass der „weniger ist mehr“-Effekt nicht einzigartig für Menschen oder andere Primaten ist, sondern auch bei anderen Säugetieren beobachtet werden kann. Dies gilt zumindest für sozial organisierte Arten wie zum Beispiel für die Fleischfresser Wölfe, Hunde und Schakale“, erklärt Kristina Pattison von der Universität Kentucky. Die Wissenschaftlerin ist davon überzeugt, dass weitere Forschung erforderlich ist, um zu verstehen, ob dieser Effekt auch bei weniger sozial organisierten Tierarten, wie etwa Ratten, oder sogar bei Arten, die nicht zu den Säugetieren zählen, zu beobachten ist. (Animal Cognition, 2014; doi: 10.1007/s10071-014-0735-2(Springer, 21.03.2014 – KEL)