Astronomie

Milchstraße: Umringt von Riesen

Astronomen liefern neue Beschreibung unserer galaktischen Nachbarschaft

Die Milchstraße - unsere kosmische Heimat © NASA/JPL-Caltech/ ESO/R. Hurt

Wir sind umzingelt: Unsere Milchstraße ist von einem Ring aus zwölf großen Galaxien umgeben. Das zeigt die neue Himmelskarte eines US-Astrophysikers. Sie enthüllt eine bemerkenswert regelmäßige Anordnung unserer nächstgelegenen großen Nachbargalaxien. Diese geordnete Struktur erlaubt Rückschlüsse auf die frühe Entwicklung unserer Heimatgalaxie und ihrer Nachbarn, wie der Forscher im Fachjournal „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ berichtet.

Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, besteht aus rund 300 Milliarden Sternen. Zusammen mit der Andromeda-Galaxie gehört die Milchstraße damit zu den größten Galaxien der sogenannten Lokalen Gruppe. Sie machen zusammen etwa 95 Prozent der Masse dieses Galaxienhaufens aus, hinzu kommen geschätzte 70 bis 500 kleinere Galaxien. Die Lokale Gruppe wiederum ist mit 100 bis 200 weiteren Galaxienhaufen ein Teil des Virgo-Superhaufens.

Während über die Lokale Gruppe mit ihren etwa drei Millionen Lichtjahren Durchmesser relativ viel bekannt ist, sind Informationen über einzelne Galaxien jenseits davon spärlich. Der Physiker und Astronom Marshall McCall von der York University im kanadischen Toronto kartierte nun die sichtbaren Galaxien in einer Entfernung von bis zu 20 Millionen Lichtjahren von der Erde. Damit bietet er ein erweitertes Bild unserer unmittelbaren galaktischen Nachbarn jenseits der Lokalen Gruppe.

Der "Rat der Riesen" von oben betrachtet, die gelben Punkte markieren die 12 großen Galaxien © Marshall McCall / York University

Rat der Riesen in lokaler Ebene

„Alle hellen Galaxien innerhalb von 20 Millionen Lichtjahren, unsere eingeschlossen, sind in einer ‚lokalen Ebene‘ mit einem Durchmesser von 34 Millionen Lichtjahren und einer Dicke von nur 1,5 Millionen Lichtjahren angeordnet“, sagt McCall, und beschreibt den Aufbau dieser lokalen Ebene genauer: Die Milchstraße und die Andromeda-Galaxie sind eingekreist von zwölf großen Galaxien, sie bilden einen Ring mit rund 24 Millionen Lichtjahren Durchmesser. McCall tauft diesen Ring poetisch „Council of Giants“, einen „Rat der Riesen“. In McCalls Beschreibung „überwacht“ dieser Rat gewissermaßen die Milchstraße und Andromeda, indem er den Einfluss von deren Gravitation begrenzt.

Zwölf der insgesamt 14 Riesen in der Lokalen Ebene, die Milchstraße und Andromeda eingerechnet, sind Spiralgalaxien. Diese stellen stark abgeflachte Scheiben dar, in deren Spiralarmen neue Sterne entstehen. Die übrigen zwei Galaxien sind aufgeblähte elliptische Galaxien ohne die bekannte Spiralstruktur. Hier finden nur noch wenige Sterngeburten statt, der größte Teil der Sterne in diesen Galaxien entstand bereits vor langer Zeit. Interessanterweise sitzen diese zwei elliptischen Galaxien auf gegenüberliegenden Seiten des Ringes. McCall vermutet, dass Sternenwinde aus den frühesten Phasen ihrer Entwicklung Gas in Richtung der Lokalen Gruppe getrieben haben könnten. Damit hätten sie die Spiralen von Milchstraße und Andromeda mitgebaut.

Lage der größten Galaxien im Umkreis von 20 Millionen Lichtjahren von der Seite gesehen. © Marshall McCall / York University

Geordnete Strukturen in allen Größenordnungen

Interessantes fand McCall auch bei der Analyse der Rotationsachsen der Galaxien. Diese zeigen überraschenderweise alle auf eine relativ kleine kreisförmige Region am Himmel. „Diese ungewöhnliche Anordnung könnte durch die Gravitation der Milchstraße und der Andromeda Galaxie erzwungen worden sein als das Universum noch kleiner war“, erklärt McCall.

Diese Beobachtung liefert daher auch Erkenntnisse darüber, wie die Milchstraße entstand: Die nahegelegenen Galaxien müssen gemeinsam in einer vor allem aus Dunkler Materie bestehenden Früh-Ebene entstanden sein. Nur so konnten sie sich zu einer derartig geordneten Struktur wie der Galaxienversammlung in der Lokalen Ebene weiterentwickeln, mutmaßt der Forscher.

Die Anordnung der Galaxien in der Lokalen Ebene bestätigt, dass sich Strukturen im Universum in unterschiedlichen Größenordnungen zu wiederholen scheinen: von Planetensystemen über Sternenhaufen und Galaxien bis hin zu Galaxiengruppen, und darüber hinaus.

„Jüngere Studien des entfernteren Universums haben gezeigt, dass Galaxien in Ebenen und Filamenten angeordnet sind, mit großen Regionen leeren Raumes dazwischen, sogenannten Voids“, sagt McCall. Die Anordnung ähnelt einem Schwamm. „Unsere neue Kartierung macht deutlich, dass sich ähnliche Strukturen von großen Maßstäben bis hinunter zu den kleinsten erstrecken.“

(Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2014; doi: 10.1093/mnras/stu199)

(Royal Astronomical Society, 14.03.2014 – AKR)

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