Astronomie

Galaxien: Kollision zweier Winzlinge

Astronomen beschreiben kleinste bislang beobachtete Galaxienkollision

Welten im Zusammenstoß: Diese künstlerische Darstellung zeigt die Verschmelzung zweier Vorläufergalaxien des Systems Andromeda II. © N. C. Amorisco & M. Høst (Niels Bohr Institute) and ESO / Digitized Sky Survey 2

Galaxiencrash im Miniaturformat: Nach kosmischen Maßstäben geradezu winzig müssen die Vorläufer der Zwerggalaxie Andromeda II gewesen sein. Ein internationales Team von Astronomen hat berechnet, dass vor mehr als drei Milliarden Jahren zwei Vorläufer zu einer gemeinsamen Galaxie verschmolzen. Andromeda II ist damit die kleinste Galaxie, in der sich ein solcher Verschmelzungsprozess beobachten ließ, wie die Forscher im Magazin „Nature“ beschreiben. Damit ermöglicht sie Einblicke in die frühen Phasen des Galaxienwachstums.

Wenn ganze Galaxien aufeinander treffen, können sie zu einer größeren Galaxie verschmelzen. Nach gängigen Theorien entstehen auf diese Weise die besonders großen, massereichen Galaxien. Solche gigantischen Verschmelzungsprozesse sind von Astronomen ausführlich beschrieben. Allerdings basieren sie bislang ausschließlich auf der Beobachtung bereits existierender größerer Galaxien. Die Anfänge dieser Entwicklung, aus kleinsten Vorläufern der großen Galaxien, konnten bislang nicht beobachtet werden.

Die kugelförmige Zwerggalaxie Andromeda II bietet nun neue Einblicke in diesen Prozess. Sie ist ein Begleiter der Andromeda-Galaxie. Diese ist mit einer Entfernung von 2,5 Millionen Lichtjahren das am weitesten entfernte Objekt am Nachthimmel, das gelegentlich noch mit bloßem Auge erkennbar ist.

Seltsame Rotation als Anhaltspunkt

Eine US-amerikanische Astronomengruppe um Marla Geha von der Yale University hat nun die Geschwindigkeiten von mehr als 700 Sternen in und um Andromeda II gemessen. Dabei zeigten sich schnell zwei Besonderheiten: Die Zwerggalaxie dreht sich erstens viel schneller als andere Galaxien desselben Typs. Außerdem dreht sie sich auf eine gänzlich ungewöhnliche Weise: Andromeda II rotiert nicht stabil wie ein Rad um ihre Achse, sondern in einer Art Taumelbewegung senkrecht zur Symmetrieachse.

Diese Anomalie veranlasste die Forscher dazu, die Daten an drei Kollegen weiterzureichen, die große Erfahrung im Modellieren der Sternbewegungen in Galaxien besitzen: Glenn van de Ven vom Max-Planck-Institut für Astronomie, Wyn Evans von der Universität Cambridge und Nicola Amorisco von der Universität Kopenhagen. Amorisco, Evans und van de Ven analysierten die Sterngeschwindigkeiten von Andromeda II und fanden tatsächlich eine Erklärung für die anomale Rotation: Bei Andromeda II scheint es sich um den Überrest einer Verschmelzung zweier noch kleinerer Galaxien zu handeln.

Sternenstrom: charakteristischer Überrest kleiner Galaxien

„Durch die sorgfältige Untersuchung der Bewegungen von mehr als 700 Einzelsternen haben wir herausgefunden, dass es sich um zwei unterschiedliche Gruppen von Sternen handelt“, sagt Van de Ven: Die Sterne der ursprünglichen Zwerggalaxie und Sterne in einem sogenannten Sternstrom, einer Art Gürtel aus Sternen, der sich um die Zentralregionen von Andromeda II wickelt.

Derartige Sternströme sind die charakteristischen Überreste einer kleineren Galaxie, die von einer größeren eingefangen wurde. Man hat solche Ströme bereits in unserer Milchstraße sowie in vielen anderen größeren Galaxien gefunden – aber nie in einem System mit einer Masse von weniger als einer Milliarde Sonnen. Die Masse von Andromeda II ist sogar noch deutlich geringer: Sie liegt bei nicht mehr als zehn Millionen Sonnen. Die Galaxie ist damit sogar unter den Zwergen ein Winzling.

Die Verschmelzung der beiden Mini-Galaxien, aus denen Andromeda II hervorging, fand den Astronomen zufolge vor mehr als drei Milliarden Jahren statt. Die ungewöhnliche Rotation der Zwerggalaxie könnte aus einer Phase kurz vor dem Verschmelzen stammen, in der die kleinere der beiden Vorgängergalaxien die größere noch umkreiste. Nach der Verschmelzung blieb diese Bewegung in der Rotation der Gesamtgalaxie erhalten.

Anfang der Wachstumskette

Anhaltspunkte dafür, dass Andromeda II aus der Verschmelzung zweier noch kleinerer Galaxien hervorgegangen ist, gab es schon früher. Einige sehr alte Sterne in der Galaxie passten nicht in das Gesamtbild der jüngeren Umgebung. Die Entdeckung des Sternstroms, der eine Verschmelzung von Galaxien andeutet, bietet eine neue Grundlage für diese Vermutung. Van de Ven erläutert: „In dem allgemein akzeptierten Modell der Galaxienentwicklung ist dies der Anfang der Wachstumskette: kleine Zwerggalaxien, die mit noch kleineren Zwergen verschmelzen. Aber bis jetzt hatte noch nie jemand ein Beispiel für eine Verschmelzung derart leichter Galaxien gefunden.“

Die Astronomen hoffen, dass die nächsten Entdeckungen dieser Art nicht lange auf sich warten lassen. „Wir wissen, dass andere Astronomen über ähnliche Beobachtungsdaten für Zwerggalaxien verfügen“, so Van de Ven. „Mit unserer Untersuchungsmethode sollte es möglich sein, auch in diesen anderen Daten nach Sternströmen zu suchen. Und vielleicht finden wir dabei ja sogar noch leichtere Verschmelzungsprodukte?“

(Nature, 2014; doi: 10.1038/nature12995)

(Max-Planck-Gesellschaft, 24.02.2014 – AKR)

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