Evolution

Evolution: Erste Tiere geben Rätsel auf

War die Uratmosphäre doch nicht schuld am späten Auftauchen der Mehrzeller?

Brotkrumenschwamm im Laboraquarium © Mills / University of Southern Denmark

Warum entwickelten sich die ersten mehrzelligen Tiere erst Milliarden Jahre nach den ersten Einzellern? Bisher galt der damals lange Zeit zu niedrige Sauerstoffgehalt der Luft als Bremsklotz der Evolution. Doch dänische Forscher widersprechen dem nun: Sie belegen, dass Schwämme – als sehr ursprünglich geltende Tiere – mit extrem wenig Sauerstoff auskommen. Ihrer Ansicht muss daher etwas anderes eine frühe Evolution der Mehrzeller verhindert haben.

Die Entwicklung komplexen Lebens ist eines der größten Rätsel der Wissenschaft. Denn die ersten Zellen gab es möglicherweise schon vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren. Der älteste gesicherte Nachweis von Einzellern stammt aus der Zeit vor rund zwei Milliarden Jahren. Das Seltsame aber: Nach der Entwicklung dieser ersten Zellen passierte lange Zeit erstmal nichts. Das Leben schien auf diesem primitiven Entwicklungszustand zu verharren.

War mangelnder Sauerstoff schuld?

Erst sehr viel später, vor gut 500 Millionen Jahren, tauchten dann auch die ersten mehrzelligen Lebewesen auf. Ihr Erscheinen fiel mit einem weiteren großen Wandel auf dem Planeten zusammen: Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre stieg deutlich an. Bisher ging man daher davon aus, dass beides eng zusammenhängt: Erst als einzellige Algen genügend Sauerstoff produziert hatten, konnten mehrzellige Tiere entstehen, die dieses Atemgas für ihr Überleben benötigen – so steht es in allen Lehrbüchern.

Schwämme torpedieren die Lehrbuchmeinung zur Entwicklung der ersten Mehrzeller© University of Southern Denmark

„Doch niemand hat bisher getestet, wie viel Sauerstoff einfache Tiere überhaupt benötigen“, sagt Daniel Mills vom Marine Biological Research Centre der Universität von Süd-Dänemark. Genau das haben er und seine Kollegen nun getan. Als Studienobjekt wählten die Forscher ein Lebewesen, das zu den einfachsten Mehrzellern gehört und noch viele Merkmale seiner fernen Vorfahren besitzen könnte: einen Schwamm. Der

Der Brotkrumenschwamm (Halichondria panicea) kommt in den Küstengebieten des Nordatlantiks und Mittelmeeres häufig vor und ist auch vor der Küste Dänemarks verbreitet. Die Forscher sammelten für ihr Experiment einige Exemplare und setzten sie in Aquarien mit iunteschi8edlich hohen Sauerstoffgehalten von Luft und Wasser.

Rätsel weiter ungelöst

Das erstaunliche Ergebnis: „Die Schwämme atmeten und wuchsen selbst bei Sauerstoffgehalten weiter, die nur 0,5 Prozent des normalen atmosphärischen Sauerstoffs entsprachen“, berichtet Mills. Das ist deutlich niedriger als die bisher angenommenen Minimalwerte für tierisches Leben. Das aber bedeutet: Das mangelnde Atemgas in der Uratmosphäre war möglicherweise gar nicht der Grund, der die Evolution mehrzelliger Tiere blockierte. „Unsere Studie legt nahe, dass Sauerstoffmangel nicht der Hinderungsgrund war“, sagt Mills.

Doch welcher Faktor war es dann? Warum entfaltete sich die Evolution so schlagartig, nachdem sie Jahrmilliarden nicht über das Niveau von Einzellern hinaus gekommen war?

„Es müssen andere ökologische oder evolutionäre Faktoren eine Rolle gespielt haben“, sagt Mills. „Vielleicht blieb das Leben so lange mikrobiell, weil es erst eine Weile brauchte, um die biologische Maschinerie für Tiere zu konstruieren.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014; doi: 10.1073/pnas.1400547111)

(PNAS / University of Southern Denmark, 18.02.2014 – NPO/MVI)

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