Muttermilch ist für Babys enorm wichtig – das ist schon lange bekannt. Jetzt aber zeigt sich: Ihre positive Wirkung hält bis weit ins Erwachsenenalter an. Denn die mit der Muttermilch aufgenommenen Antikörper prägen Darmflora und Genaktivität der Darmschleimhaut dauerhaft. Sie tragen dazu bei, langfristig vor entzündlichen Darmerkrankungen schützen, wie US-Forscher in Versuchen mit Mäusen herausfanden.
Muttermilch ist ein Erfolgsprodukt der Evolution. Die nährstoffreiche Milch enthält wichtige Antikörper und Botenstoffe, die das Immunsystem des Kindes stärken und es so auf die Herausforderungen des Lebens vorbereiten. Einer dieser hilfreichen Stoffe ist das sogenannte sekretorische Immunglobulin A (SIgA). Dieser Antikörper beeinflusst unter anderem die Zusammensetzung der Darmmikroben bei den Babys. Er stärkt die hilfreiche Darmflora und stärkt sie so gegen Infektionen.
Früher Schutz durch Antikörper
„Ein gesundes Verdauungssystem erfordert eine sensible Balance zwischen den rund 100 Billionen Bakterien in unserem Darmtrakt und dem Immunsystem des Trägers“, erklären Eric Rogier von der University of Kentucky in Lexington und seine Kollegen. Neugeborenen fehlt dazu aber der wichtige Antikörper SIgA, den sie noch nicht selbst produzieren können. Sie sind daher darauf angewiesen, ihn mit der Muttermilch zu bekommen. Ob die hilfreiche Wirkung dieses Antikörpers aber über diesen ersten Anschub hinausgeht, war bisher unklar.
Rogier und seine Kollegen haben dies nun in Versuchen mit Mäusen näher untersucht. Wie der Mensch produzieren auch diese Säugetiere SIgA in der Milch – normalerweise. Für ihre Studie aber züchteten die Forscher einen Mäusestamm, bei dem die Produktion des Antikörpers SIgA gentechnisch abgeschaltet war. Diese Mäusemütter säugten ihre Jungen mit Milch ohne diesen Inhaltsstoff. Die Wissenschaftler ließen diese Mäusejungen aufgewachsen und verglichen dann ihre Darmflora und ihre Empfindlichkeit gegenüber Infektionen mit der normal gesäugter Mäuse.
Schleimhaut durchlässig für Erreger
Dabei zeigte sich, dass die mit SIgA-freier Muttermilch gesäugten Mäuse eine ungewöhnlich zusammengesetzt Darmflora entwickelten – und dass diese bis ins Erwachsenenalter verändert blieb. Es dominierte eine Gruppe von Darmbakterien, die auch bei Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen häufig sind.
Hinzu kam: Eine wichtige Barriere gegen Darminfektionen und Entzündungen war bei diesen Mäusen defekt: Sie waren dadurch anfällig gegenüber Infektionen mit einem opportunistischen Erreger. „Die epitheliale Barrierefunktion war fehlerhaft und ermöglichte es Bakterien, vom Darm in die Lymphknoten vorzudringen“, berichten die Forscher.
Krankhafte Genaktivität
Und noch etwas entdeckten die Forscher: In der Darmschleimhaut der mit SIgA-freier Muttermilch gesäugten Mäuse waren einige Gene deutlich weniger aktiv als bei den Kontrolltieren. Einige dieser Gene entsprechen denen, die auch bei Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen unterrepräsentiert sind, wie die Wissenschaftler berichten.
„Zusammengenommen sprechen diese Ergebnisse dafür, dass der frühe Kontakt mit SIgA über die Muttermilch die Darmflora und die Genexpression in der Darmschleimhaut für das gesamte spätere Leben beeinflusst“, konstatieren Rogier und seine Kollegen. Ihrer Ansicht nach sind diese Daten durchaus auf den Menschen übertragbar. Sie deuten darauf hin, dass das Stillen von Kindern ein wichtiger Beitrag dazu sein kann, diese auch später vor entzündlichen Darmerkrankungen zu bewahren. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014; doi: 10.1073/pnas.1315792111)
(PNAS, 04.02.2014 – NPO/MVI)