Medizin

Neue Waffe gegen resistente Tuberkulose

Forscher bauen ein unwirksames Antibiotikum zum hochwirksamen Medikament um

Makrophage bei der Aufnahme von Tuberkukelbazillen (rot). © Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie/Volker Brinkmann

Neue Hoffnung gegen multiresistente Tuberkulose: Forscher haben ein unwirksames Antibiotikum so umgebaut, dass es nun selbst resistente Erreger abtöten kann. Das neue Mittel umgeht den Abwehrmechanismus der Bakterien und blockiert ihre Proteinsynthese. Im Tierversuch erwies es sich bereits als hochwirksam und arm an Nebenwirkungen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Medicine“ berichten.

Die Tuberkulose gehört auch heute noch zu den großen Geißeln der Menschheit. Trotz Antibiotika ist sie weit davon entfernt, besiegt zu sein. Allein 2012 erkrankten weltweit acht Millionen Menschen neu an der Infektion mit dem Bakterium Mycobacterium tuberculosis, so die Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. 1,3 Millionen Menschen sterben jährlich daran. Hinzu kommt: Immer mehr Erregerstämme erweisen sich als resistent gegen gleich mehrere gängige Antibiotika – die wichtigste Waffe gegen die Infektion ist stumpf geworden.

Solche hochresistenten Tuberkuloseerreger, gegen die kaum mehr eine Antibiotikatherapie wirkt, sind in Asien inzwischen sehr häufig, sie breiten sich aber zunehmend auch in Europa aus. Es drängt die Entwicklung neuer Medikamente gegen die Tuberkulose. Ein Schritt dazu könnte jetzt Richard Lee vom St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis und seinen Kollegen gelungen sein. Ihre Idee: Ein bisher unwirksames Antibiotikum so umzubauen, dass es gegen den Erreger wirkt.

Aus der Zelle gepumpt[

Das Antibiotikum Spectinomycin soll den Erreger abtöten, indem es sich an die Ribosomen der Bakterien anlagert und dort die Proteinsynthese blockiert. Das kein anderes Antibiotikum diesen Wirkort nutzt, kann dieses Mittel gut in Kombination mit anderen eingesetzt werden – wenn es funktioniert. Doch wie Untersuchungen zeigen, klappte dies bei Tuberkulose-Bakterien bisher nicht.

Warum, fanden die Forscher in Experimenten heraus. Wie sich zeigte, befördern Pumpen in der Zellwand der Erreger die Wirkstoff-Moleküle aus der Zelle hinaus, bevor sie ihre Wirkung entfalten können. Den Wissenschaftlern gelang es nun jedoch, das Spectinomycin so zu modifizieren, dass es von dieser Effluxpumpe nicht mehr erkannt wird. Sie nutzten dafür ein 3D-Modell des Moleküls und seines Bindungsorts und designten zunächst am Computer, wie man es verändern muss, um es gegen die Pumpe zu wappnen. Diese Modifikation setzten sie dann chemisch um.

Tuberkulose-Erreger © CDC

Tötet selbst multiresistente Erreger ab

In Tests an Zellen und Mäusen erwies sich das solcherart modifizierte Spectinomycin tatsächlich als enorm wirkungsvoll: „Der Wirkstoff kann nicht nur die normalen Tuberkulosebakterien, sondern auch sämtliche Formen der hochresistenten Tuberkulosebakterien wirksam töten“, berichtet Koautor Erik Böttger von der Universität Zürich.

Lee ergänzt: „Das demonstriert, dass klassische, aus Naturstoffen abgeleitete Antibiotika so umgebaut werden können, dass daraus semi-synthetische Verbindungen entstehen, die bakterielle Resistenzen überwinden können.“ Wie Versuche mit Zellkulturen ergaben, wirkt das neue Antibiotikum zudem spezifisch nur auf bakterielle Ribosomen. Menschliche Zellen werden weder angegriffen noch gestört – eine wichtige Voraussetzung für ein Medikament.

Klinische Studien folgen

Mit den Spectinamiden steht nun eine neue Klasse von wirksamen Tuberkulosemitteln zur Verfügung. „Das exzellente Sicherheitsprofil und die ausgeprägte Wirksamkeit gegen sämtliche resistente Tuberkulose-Erreger führen hoffentlich rasch zu klinischen Studien“, sagt Böttger. Das komme dann insbesondere den Patienten zugute, die an hochresistenter Tuberkulose erkrankt sind. Die Forscher arbeiten nun bereits daran, den neuen Wirkstoff mit weiteren Mitteln gegen Tuberkulose zu kombinieren, um einen optimal wirksamen Cocktail von Medikamenten zu finden, der multiresistente Tuberkulosebakterien möglichst schnell und schonend beseitigt. (Nature Medicine, 2014, doi: 10.1038/nm.3458)

(Nature / Universität Zürich /St. Jude’s, 28.01.2014 – NPO)

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