Geowissen

Grand Canyon: Puzzle gelöst

Neue Daten beenden den Streit um die Entstehung der Riesenschlucht

Der Grand Canyon - ein Puzzle aus alt und neu © National Park Service

Wie alt ist der Grand Canyon? Entstand er schon vor 50 Millionen Jahren oder grub ihn erst der Colorado River vor sechs Millionen Jahren ins Gestein? Über diese Frage streiten Geologen seit rund 150 Jahren. Jetzt hat ein internationales Forscherteam eine Antwort, die beiden Fraktionen ein Stück Recht gibt: Denn der Grand Canyon ist ein Sammelsurium aus alten und neuen Abschnitten, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Der Grand Canyon ist ein wahrer Riese unter den Schluchten und ein echtes Naturwunder: Die Schlucht ist 446 Kilometer lang, bis zu 29 Kilometer breit und bis zu 1,6 Kilometer tief. Wie diese gewaltige Kerbe in der Erde entstand, darüber streiten Geologen seit rund 150 Jahren. Denn die einen glauben, der Canyon sei vor 30 bis 80 Millionen Jahren von zwei längst verschwundenen Flüssen gegraben worden. Andere sagen, erst der Colorado River habe die Schlucht vor fünf bis sechs Millionen Jahren ins Gestein gefressen.

Temperatur als Indikator

Um dem Streit ein Ende zu setzen, haben sich Karl Karlstrom von der University of New Mexico in Albuquerque und seine Kollegen den Canyon und seine Geologie erneut vorgenommen. Sie nahmen in vier von fünf Hauptabschnitten der Schlucht Gesteinsproben vom Grund und vom oberen Rand und untersuchten diese mit Hilfe der Thermochronologie. Diese liefert Aufschluss darüber, wann und über welchen Zeitraum hinweg Mineralien bestimmten Temperaturen ausgesetzt waren.

Auf diese Weise lässt sich auch nachvollziehen, wann und wie lange das Gestein wie tief unter der Erde lag. Denn je tiefer es hinab ins Erdinnere geht, desto wärmer wird es. Die Idee der Forscher dabei: Gab es schon vor mehr als 30 Millionen Jahren eine tiefen „Paläocanyon“, dann müssen damals Boden und Rand der Schlucht der Luft ausgesetzt gewesen sein und damit auch in etwa gleichen Temperaturen. Gab es diesen Altcanyon aber nicht, dann müsste es deutliche Unterschiede zwischen den Proben geben.

Der Eastern Grand Canyon wurde vor 15-25 Millionen Jahren bis etwa auf Höhe des sitzenden Wanderers eingegraben, die restliche Schlucht entstand erst, als der Colorado River vor rund sechs Millionen Jahrne begann, hindurch zu fließen. © Laura Crossey/ UNM

Geologisches Stückwerk

Wie sich zeigte, haben im großen Canyon-Streit beide Parteien recht: Denn der Marble Canyon existiert tatsächlich erst seit weniger als sechs Millionen Jahren, ebenso der Westernmost Grand Canyon. Die beiden anderen Abschnitte aber sind deutlich älter. Der Eastern Grand Canyon entstand vor 15 bis 25 Millionen Jahren, die Hurricane Fault hat sogar ein stolzes Alter von 50 bis 65 Millionen Jahren; damals fraß ein längst verschwundener Fluss eine Schlucht ins Gestein, die etwa halb so tief war wie der heutige Grand Canyon.

„Unsere Tests widerlegen die Hypothese vom ‚alten Canyon‘, nach der es schon vor 55 Millionen Jahren einen 1,5 Kilometer tiefen Paläocanyon gab, dem der moderne Canyon dann nur folgte“, konstatieren die Forscher. Stattdessen gleicht die Geologie und Entstehungsgeschichte der Riesenschlucht eher einem Puzzle.

Die Geologen gehen davon aus, dass die beiden ältesten Schluchtteile zunächst weniger tief waren als heute und nicht miteinander und mit den restlichen Schluchtteilen verbunden waren. Erst der Colorado River begann vor fünf bis sechs Millionen Jahren, die Einzelteile zu verbinden und einen durchgehenden Canyon zu erschaffen. In den vergangenen vier Millionen Jahren sorgte seine Erosion zudem dafür, dass die neu entstandene Riesenschlucht tiefer, breiter und länger wurde. (Nature Geoscience, 2014; doi: 10.1038/ngeo2065)

(Nature, 27.01.2014 – NSC/NPO)

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