Physik

Neuer Quantenzustand der Materie

Elektronen verhalten sich im Natrium-Bismuthat wie in Graphen – aber in drei Dimensionen

Analysen an der Advanced Light Source in Berkeley identfizierten den neuartigen Quantezustand. © LBNL / Roy Kaltschmidt

Forscher haben einen neuen Quantenzustand der Materie nachgewiesen: Sie identifizierten erstmals ein Material, Natrium-Bismuthat (NaBiO3), in dem sich Elektronen verhalten wie im zweidimensionalen Graphen, aber in drei Dimensionen. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ berichten, könnten aus solchen sogenannten dreidimensionalen topologischen Dirac-Halbmetallen (3DTDS) zukünftig sehr viel schnellere Transistoren und kompaktere Festplatten erzeugt werden.

Sie gelten als die beiden spannendsten und vielversprechendsten neuen Hightech-Materialien: Das aus einem zweidimensionalen Netz von Kohlenstoff-Atomen bestehende Graphen, in dem sich Elektronen so schnell wie masselose Teilchen bewegen, sowie sogenannte topologische Insulatoren. Dabei handelt es sich um kristalline Materialien, die an ihrer Oberfläche leitfähig sind, sich in ihrem Inneren aber wie Nichtleiter verhalten. In diesen Kristallen verhalten sich die Elektronen ähnlich ungewöhnlich wie im Graphen, sie entsprechen sogenannten 2D-Dirac Fermionen.

Gegenstück in 3D gesucht

„Die schnelle Entwicklung von Graphen und topologischen Insulatoren hat die Frage aufgeworfen, ob es auch dreidimensionale Gegenstücke mit diesem ungewöhnlichen Elektronenverhalten gibt“, erklärt Studienleiter Yulin Chen vom Lawrence Berkeley Laboratory. Solche sogenannten dreidimensionalen topologischen Dirac-Halbmetalle (3DTDS) werden schon länger theoretisch vorhergesagt, ihr Nachweis war aber bisher nicht gelungen.

„Ein 3DTDS ist ein natürliches, dreidimensionales Gegenstück zum Graphen, mit ähnlicher oder sogar besserer Elektronenbeweglichkeit und -geschwindigkeit“, so Chen. Materialien in einem solchen Zustand erzeugen einen linearen Magnetowiderstand, der um Größenordnungen höher sein kann als bei den Materialien, die zurzeit in Festplatten eingesetzt werden. Sie könnten zudem die Tür öffnen zu sehr viel effizienteren optischen Sensoren, wie der Forscher erklärt.

Der Zustand des dreidimensionalen topologischen Dirac-Halbmetalls entsteht am Übergang von einem normalen Nichtleiter zu einem topologischen Insulator. © LBNL

Röntgenstrahlen enthüllen Elektronenstruktur

Chen und seine Kollegen haben nun erstmals tatsächlich ein Material entdeckt, das diesen nur theoretisch postulierten Quantenzustand einnimmt. Nachgewiesen haben sie dies, indem sie Natrium-Bismuthat, eine Verbindung, die als möglicher Kandidat für einen 3DTDS-Stoff galt, mit Hilfe der sogenannten winkelaufgelösten Photonenelektronenspektroskopie (ARPES) analysierten. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich die Bestrahlung des Materials mit fokussierten Röntgenstrahlen. Diese regen Elektronen an der Oberfläche der Proben an und regen diese zum Abstrahlen von Licht an. Die Winkel und kinetischen Energien dieser Photonen werden gemessen und geben Rückschlüsse auf die Elektronenstruktur und deren Verhalten im Inneren des Materials.

„In dem analysierten Natrium-Bismuthat berühren sich die Leitungs- und Valenzbänder der Elektronen nur an diskreten Punkten“, erklärt Chen. Dadurch können Elektronen an diesen Stellen die isolierende Lücke ähnlich schnell und leicht durchdringen wie im Graphen. Sie entsprechen damit ebenfalls Dirac-Fermionen, nur nicht in 2D, wie beim Graphen, sondern in 3D. Wie die Forscher erklären, entspricht dieser im Natrium-Bismuthat festgestellte Zustand damit einem dreidimensionalen topologischen Dirac-Halbmetall – dieser einzigartige Zustand der Materie ist damit erstmals experimentell nachgewiesen.

Anwendung in zukünftigen Spintronic-Technologien

„Ein solches 3DTDS-System könnte wegen seines 3D-Volumens die Effizienz in vielen Anwendungen signifikant verbessern“, erklärt Chen. Zudem wären solche Materialien sogar einfacher herzustellen als Graphen: „Große, nur ein Atom dünne Graphenschichten herzustellen ist noch immer eine Herausforderung, es wäre einfacher, Graphen-ähnliche Objekte aus 3DTDS-Systemen zu erzeugen.“ Allerdings: Natrium-Bismuthat ist zu instabil, um in Alltagsgeräten eingesetzt zu werden. Die Forscher hoffen aber, nun auch noch andere Materialien zu finden, die diesen speziellen Quantenzustand besitzen.

In jedem Falle eröffne die Entdeckung von Natrium-Bismuthat als 3DTDS-System die Möglichkeit, an ihm die neuen physikalischen Effekte und Eigenschaften zu untersuchen, die mit diesem einzigartigen Zustand einhergehen, so die Forscher. Das könnte auch künftige Elektronik-Technologie fördern. Zukünftige 3DTDS-System wären dann eine ideale Plattform für Anwendungen auch der Spintronic – einer Elektronik, bei der nicht Ladung, sondern der Spin , die Eigendrehung der Elektronen genutzt wird. (Science, 2014; doi: 10.1126/science.1245085)

(Lawrence Berkeley Laboratory, 17.01.2014 – NPO)

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