Hormonaktive Chemikalien wie PCB oder Dioxine beeinflussen das Verhalten von Kindern – auch in Deutschland: Jungen, die im Mutterleib leicht erhöhten Werten dieser Stoffe ausgesetzt waren, zeigen eher ein verweiblichtes Verhalten, Mädchen dagegen das umgekehrte. Das zeigt eine Studie deutscher Forscher. Obwohl diese Stoffe seit Jahren verboten sind, finden sie sich auch bei uns noch in der Umwelt und auch in der Muttermilch.
Polychlorierte Biphenyle (PCBs) sind organische Chlorverbindungen, die lange Zeit in Elektrogeräten und als Weichmacher in Kunststoffen genutzt wurden. Weil sie stark krebserregend wirken und zudem zu den hormonähnlich wirkenden Substanzen gehören, wurden sie 2001 vom der Stockholmer Konvention international verboten, sie gehören zum „dreckigen Dutzend“ der schlimmsten chemischen Giftstoffe. Dennoch lassen sich diese hormonaktiven Substanzen auch heute noch fast überall in der Umwelt nachweisen. Sie gelangten durch Chemieunfälle und unsachgemäße Lagerung von Chemieabfällen ins Freie und breiteten sich über die Atmosphäre aus.
Von Tieren ist bereits bekannt, dass diese Schadstoffe den Hormonhaushalt stören, Männchen werden dadurch unfruchtbar oder verweiblichen. Beim Menschen gibt es ebenfalls Hinweise darauf, dass eine erhöhte Belastung mit diesen Schadstoffen im Mutterleib die hormonelle und geistige Entwicklung der Kinder beeinträchtigen kann. Umweltwissenschaftler aus Bochum, Düsseldorf und Münster haben nun untersucht, ob auch die heute noch in Deutschland in der Umwelt vorhandenen PCB und Dioxin-Werte eine messbare Wirkung auf geschlechtsspezifische Verhaltensweisen von Kindern haben.
Schwangere Frauen in Duisburg untersucht
Für ihre Studie maßen die Forscher bei 232 schwangeren Frauen aus Duisburg die Konzentrationen von 35 PCBs und Dioxinen im Blut und in der Muttermilch. Sieben Jahre später befragten sie die Mütter nach den Spielzeugvorlieben der Kinder, nach ihrem Spielverhalten und anderen geschlechtstypischen Verhaltensmerkmalen. Basis der Befragung war ein international standardisierter Fragebogen.
Die Auswertung ergab zunächst, dass die Konzentrationen von PCBs in Blut und Muttermilch mit durchschnittlich rund 107 Nanogramm pro Liter im Vergleich zu Erhebungen aus den 1990er Jahren eher gering waren, das galt auch für Dioxine mit 11,6 Pikogramm pro Liter. Dennoch zeigte sich beim Vergleich der jeweiligen Belastung der Mütter mit dem Verhalten ihrer Kinder ein Zusammenhang: Je höher der Wert von PCBs in Blut und vor allem in der Muttermilch waren, desto häufiger war das geschlechtsspezifische Verhalten ihrer Kinder verändert.
Schadstoffe machen Jungen mädchenhafter
Bei höherer Belastung mit den hormonaktiven Schadstoffen verhielten sich Jungen im Schulalter mädchenhafter, Mädchen zeigten dagegen ein abgeschwächtes weibliches Verhalten. Dieser Effekt sei selbst bei der relativ kleinen Teilnehmerzahl der Studie sehr deutlich nachzuweisen, berichten die Forscher. Es zeige sich zudem ein klarer Dosis-Wirkung-Zusammenhang. „Unsere Studie belegt, dass selbst eine relativ geringe vorgeburtliche Belastung mit Dioxinen und PCBs das Geschlechtsverhalten bei Schulkindern verändern kann“, so das Fazit von Gerhard Winneke von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und seinen Kollegen.
Zwar zeigen Messungen, dass die Konzentration von PCBs und Dioxinen in der Umwelt allmählich zurückgehen. Die Forscher betonen jedoch, dass es noch zahlreiche andere hormonaktive Substanzen gibt, die weiterhin im Einsatz sind und die ähnliche Wirkungen entfalten könnten. (Environmental Health Perspectives, 2013; doi: 10.1289/ehp.1306533)
(Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung – IUF, 11.12.2013 – NPO)