Zoologie

Haie greifen ihr Opfer am liebsten von hinten an

Karibische Riffhaie erkennen Blickrichtung von Beutetieren auch beim Menschen

Karibischer Riffhai bei den Bahamas © Gary Rinaldi / (CC BY-SA 2.0)

„Drehen Sie niemals einem Hai den Rücken zu“, empfehlen Wissenschaftler aus Florida. Sie haben das Angriffsverhalten von Haien genauer untersucht. Dabei kommen sie zu der Überzeugung, dass Haie erkennen können, in welcher Position sich ein menschlicher Körper befindet. Dadurch können sie sich ihrem Opfer unbemerkt von hinten nähern und es mit dieser bevorzugten Taktik angreifen. Diese Ergebnisse erscheinen jetzt im Journal „Animal Cognition“.

Um erfolgreich Beute zu machen, muss ein Raubtier zunächst die Körperform und -größe sowie die Bewegungen seines Opfers studieren. Dass Haie ebenfalls so vorgehen, ist bereits bekannt. Wenn sich ein Hai seiner Beute nähert, so vermeidet er offenbar einen Angriff, wenn er sich im direkten Sichtfeld des Beutetiers befindet. Im Umkehrschluss heißt das, dass Haie sich einem Opfer bevorzugt von hinten annähern.

Tauchexperiment mit Riffhaien

Menschen gehören normalerweise nicht zu den Beutetieren der Haie. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich Haie auch Menschen bevorzugt von hinten nähern, obwohl sie mit dieser ungewöhnlichen Beute nicht vertraut sind. Genaue Untersuchungen darüber gab es jedoch bislang nicht. Erich Ritter vom Shark Research Institute und Raid Amin von der University of West Florida in Pensacola wollten daher wissen, ob Haie tatsächlich in der Lage sind, die Körperorientierung und damit die Blickrichtung von Menschen zu erkennen.

Dazu führten sie Tauchexperimente in freier Natur vor den Bahamas durch. Als Versuchshaie wählte die Forscher die dort heimischen Karibischen Riffhaie, die als für den Menschen ungefährlich gelten. Tatsächlich beobachten Taucher die bis zu drei Meter langen Riffhaie häufig vor den Bahamas. Dass sich die Haie am Ort des Experiments bereits an die Nähe des Menschen gewöhnt haben, schlossen die Forscher jedoch aus.

Hai erkennt vorne und hinten

In ihrem Versuch testeten die Forscher systematisch, ob Haie eine messbare Präferenz gegenüber der Körperposition beim Annäherungsversuch haben. In einem Experiment positionierte sich ein Taucher mit kompletter Tauchausrüstung kniend auf dem Meeresboden, mit Blick nach vorn. In einem zweiten Experiment knieten zwei Taucher Rücken an Rücken, um den toten Winkel auszuschließen. Die Haltung der Taucher, kniend anstatt wie normalerweise frei im Wasser schwimmend, sollte die für die Haie unbekannte Körperform noch weiter betonen. Außerdem waren dadurch die Beobachtungen einfacher und zuverlässiger als bei schwimmenden Testpersonen.

Ein Fotograf filmte die sich nähernden und umherschwimmenden Haie von einer Position oberhalb der Testpersonen aus. Mit Hilfe der Videoaufnahmen werteten die Wissenschaftler anschließend das Schwimmverhalten der Haie aus. Das Ergebnis: Die Haie können in der Tat Blickfeld und Rücken der Testperson erkennen.

Ritter und Amin haben beobachtet, dass die Haie, wenn sie auf eine einzelne Testperson im Wasser stoßen, tatsächlich in erster Linie außerhalb des Blickfelds des Menschen schwimmen. Wenn zwei Taucher Rücken-an-Rücken knieten und damit die ganze Umgebung im Sichtfeld eines Menschen lag, war dagegen kein bevorzugter Aufenthaltsbereich mehr erkennbar. Nach Ansicht der Forscher belegen diese Ergebnisse, dass Haie die Körperausrichtung ihrer Beute bestimmen können, und dass dies auch bei unbekannten Körperformen wie bei der des Menschen gilt.

Mehr als nur Zufallsbegegnungen

„Wir konnten mit unserer Forschung feststellen, dass Haie unterscheiden können, ob sie sich innerhalb oder außerhalb des Sichtbereichs eines Menschen befinden“, so Ritter. „Sie erfassen auch, in welche Richtung der Körper eines Menschen ausgerichtet ist.“ Auf welche Art und Weise sie die Blickrichtung ausmachen, und welche Faktoren dabei ihre Annäherungstaktik bestimmen, ist jedoch noch ungeklärt.

Das Forscherteam will nun weitere Studien durchführen, die sich nicht nur mit dem Verhalten der Haie, sondern auch mit ihrem Denkvermögen auseinandersetzen. Ritter und Amin wollen durch ihre Experimente die bisherige Praxis ändern, nach der die Interaktionen von Haien und Menschen vor allem anhand von gelegentlichen Zufallsbegegnungen erforscht werden. Amin fügt hinzu: „Je besser erforscht wird, wie Haie den Menschen empfinden und interpretieren, desto besser werden wir verstehen, wie wir uns in ihrem natürlichen Umfeld verhalten sollen.“ (Animal Cognition, 2013; doi: 10.1007/s10071-013-0706-z)

(Ritter & Amin / Animal Cognition, 06.12.2013 – AKR)

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