Chemie

Schnappschüsse unterscheiden Molekül-Spiegelbilder

Forscher machen den räumlichen Aufbau chiraler Moleküle sichtbar

Spiegelbilder, sogenannte Entantiomere, von Dideuterooxiran (grau: Wasserstoff, grün: Deuterium, blau: Kohlenstoff, rot: Sauerstoff). © Rupprecht-Karls-Universität Heidelberg/O.Trapp

Kleiner Unterschied, große Wirkung: Die meisten biologischen Moleküle kommen in zwei Varianten vor, die sich gegenseitig Original und Spiegelbild sind. Sie verhalten sich also wie die rechte und die linke Hand zueinander. Nun haben Heidelberger Wissenschaftler eine Methode entwickelt, die gewissermaßen Schnappschüsse von chiralen Molekülen macht und somit deren räumlichen atomaren Aufbau direkt sichtbar macht.

Links riecht anders als Rechts

Forscher sprechen bei Molekülen, die in zwei zueinander spiegelbildlichen Formen vorkommen, von „chiralen“ Molekülen. Viele biologische Prozesse hängen entscheidend davon ab, ob die beteiligten organischen Moleküle links- oder rechtshändig sind. Zum Beispiel lassen die links- und rechtshändigen Varianten des gleichen Moleküls Zitronen und Orangen unterschiedlich riechen. Auch in der Pharmazie kann die Händigkeit eines Stoffes für seine Wirkung eine wichtige Rolle spielen. Wissenschaftler wollen deshalb wissen, wie die Atome in den beteiligten Molekülen relativ zueinander angeordnet sind. In der Fachsprache nennt sich das absolute Konfiguration. Aus dieser lässt sich die Händigkeit des Moleküls ablesen.

Zwar gibt es durchaus Methoden, um die Händigkeit chiraler Moleküle zu bestimmen. Doch diese liefern nicht die absolute Konfiguration ohne Verwendung theoretischer Modelle. Außerdem gab es bislang kein Messverfahren, das einzelne chirale Moleküle im gasförmigen Zustand auf ihre Händigkeit untersuchen konnte. Chemiker und Physiker aus Heidelberg haben nun erstmals den Chiralitätssinn einer gasförmigen Probe, eines chiralen Epoxides, durch direkte Abbildung seiner Molekülstruktur bestimmt.

Dazu haben zunächst die Chemiker um Oliver Trapp von der Ruprecht-Karls-Universität eine Verbindung mit definierter Händigkeit hergestellt, ein chirales Molekül namens Dideuterooxiran. Kleinste Mengen davon verwendeten anschließend Kreckel und seine Kollegen in stark verdünnten Konzentrationen für ihre Messungen.

Diamantfolie entfernt Molkül-Kitt

Das Team um Holger Kreckel und Andreas Wolf vom Max-Planck-Institut für Kernphysik erzeugte aus den elektrisch neutralen Molekülen durch Entfernung je eines Elektrons positiv geladene Ionen. Mit Hilfe eines Teilchenbeschleunigers schossen die Physiker diese Ionen dann durch eine sehr dünne Diamant-Folie. Die Folie streift die Bindungselektronen, die die Atome im Molekül zusammenhalten, ab. Es bleiben nur stark geladene Atome übrig, die sich vehement abstoßen. Weil mit den Elektronen quasi der Kitt verloren geht, fliegen nun die Bruchstücke auseinander.

Mit einer Kombination aus Massenspektrometrie und anschließender Coulomb-Explosion lässt sich die Chiralität von Molekülen, in diesem Fall Oxiran, analysieren. © Herwig, Zawatzky, Wolf, Trapp, Kreckel

Nach Durchqueren der Folie entfernen sich die Bruchstücke weiter voneinander. Die Atome behalten aber ihre die relative Lage zueinander bei. Mit zunehmender Flugzeit entsteht also ein immer größeres dreidimensionales Abbild des Moleküls, das die grundlegende Geometrie beibehält. Wenn die Atome schließlich einen 3D-Detektor erreichen, ist das Molekül-Abbild bereits auf einige Zentimeter Größe angewachsen. Der Detektor zeichnet diese Struktur auf. Für die hohen Anforderungen, die Messungen mit chiralen Molekülen stellen, wurde die Detektoranordung auf den gleichzeitigen Nachweis von bis zu fünf Fragmenten optimiert. Das Abbild auf dem Detektor zeigt die absolute Konfiguration, aus der sich die Händigkeit des Moleküls direkt ablesen lässt. Die Messtechnik bezeichnet man als Coulomb-Explosionsmethode.

„Der Versuchsaufbau erlaubt es auch, chirale Fragmente von Molekülen zu untersuchen“, erläutern die Forscher. Denn in dem beschriebenen Experiment wählt ein Filter vor der Diamant-Folie Moleküle oder deren Bruchstücke anhand einer gewünschten Masse aus. Er lässt sich so einstellen, dass nur das interessierende chirale Fragment auf die Folie gelenkt und somit vom Detektor erfasst wird. Gerade diese Kombination von Massenspektrometrie mit einer Coulomb-Explosionsmessung erscheint den Forschern attraktiv für zukünftige Anwendungen mit chiralen Molekülen.

(Max-Planck-Gesellschaft, 29.11.2013 – AKR)

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