In den flachen Küstengewässern der Ostsibirischen See blubbert es gewaltig. Denn wegen der steigenden Wassertemperaturen taut der Permafrost des Schelfs auf. Dabei setzt er größere Mengen Methan frei als gedacht, wie ein internaionales Forscherteam jetzt vor Ort herausfand. Heftige Stürme sorgen außerdem dafür, dass die Gasblasen schneller aus dem Wasser in die Atmosphäre entweichen. Insgesamt könnten allein die ostsibirischen Permafrost-Meeresböden 17 Millionen Tonnen des potenten Treibhausgases pro Jahr freisetzen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Nicht nur an Land tauen die Permafrostböden auf: Auch die Bereiche der küstennahen Meeresböden, die einst trocken lagen, waren bisher gefroren, beginnen aber jetzt zu tauen. Im Jahr 2010 errechnete Natalia Shakhova von der University of Alaska in Fairbanks, dass rund 500 Milliarden Tonnen organischen Kohlenstoffs in den Permafrostböden am Meeresgrund gebunden sein könnten. Hinzu kommen 1.000 Milliarden Tonnen Gas, die als Methanhydrat im Ozean lagern, sowie 700 Milliarden Tonnen freien Methans, die unter dem Permafrost gefangen sind.
Messungen am Ostsibirischen Schelf
Die enormen Kohlenstoffreserven verteilen sich in der Arktis über eine Fläche von rund zwei Millionen Quadratkilometern. Wie hoch die Gefahr ist, dass dieser Kohlenstoff durch den Klimawandel in Form von Methan und Kohlendioxid freigesetzt wird, ist umstritten. Bisher gibt es dazu nur Modellrechnungen, die widersprüchliche Ergebnisse brachten. Eines der Gebiete mit besonders hohem Ausgasungspotenzial ist der Ostsibirische Schelf, dessen Wassertiefe nur bei durchschnittlich 50 Metern liegt.
Shakhova und ihr Team haben sich nun dort genauer angeschaut, welche Mengen an Methan tatsächlich austreten. Sie maßen dafür über mehrere Jahre hinweg Wassertemperaturen und Methankonzentration vor der sibirischen Küste, untersuchten Bohrkerne und spürten aufsteigende Blasen mit Hilfe von Sonar auf.
Meeresboden bereits aufgetaut
Die Forscher stellten fest, dass die durchschnittliche Wassertemperatur am Meeresgrund während der Messperiode von 14 Jahren um ein halbes Grad gestiegen war. Die Temperaturen des Sedimentbohrkerns reichten von -1,8 Grad in Oberflächennähe bis zu 0 Grad in tieferen Schichten. „Obwohl die Oberflächenschicht am kältesten war, war auch sie bereits komplett aufgetaut“, berichten die Forscher Denn der höhere Salzgehalt dieser Schichten erniedrigte den Schmelzpunkt.
Dementsprechend blubbert entlang des Schelfes überall Methan aus dem Boden – mal in feinen Perlenschnüren, mal in dicken Blasen. Die Wissenschaftler spürten die Gasquellen mit Hilfe eines Sonargerätes auf. Das Gas stammt vor allem aus sogenannten Taliks, Sedimentschichten oder Säulen innerhalb des gefrorenen Bodens, die bereits aufgetaut sind. Da die See so flach ist, gelangt es schnell an die Oberfläche und entweicht in die Atmosphäre. Dort wirkt das Methan als potentes Treibhausgas.
Stürme verstärken die Freisetzung
Besonders heikel wird es, wenn heftige Stürme über die arktischen Gewässer fegen und die Wassersäule durchmischen. Nach solchen Unwettern, die dort an bis zu 70 Tagen im Jahr wüten, maßen die Forscher besonders niedrige Methankonzentrationen in der Wassersäule – das Gas war beschleunigt in die Atmosphäre entwichen. „Stürme verstärken die Freisetzung von Methan, da sie die Schichtung des flachen Wassers zerstören“, schreiben die Forscher. „Die Methanschübe, die durch Blasenbildung und Stürme verursacht werden, führen in Folge dazu, dass ein größerer Anteil des Methans die mikrobiellen ‚Filter‘ im Wasser umgeht und die Atmosphäre erreicht.“
Das Methan wird so schnell in die Atmosphäre gewirbelt, dass Mikroben keine Zeit haben, es im Wasser abzubauen. Die Forscher schätzen anhand der neuesten Messdaten, dass aus dem Ostsibirischen Schelf jährlich rund 17 Millionen Tonnen Methan entweichen. Zwar taue Permafrost am Meeresgrund schon seit einigen tausend Jahren, schreiben die Forscher. Die Erwärmung des arktischen Ozeans werde diesen Prozess jedoch beschleunigen – und damit einen weiteren Teufelskreis des Klimawandels in Gang setzen. (Nature Geoscience, 2013; doi: 10.1038/NGEO2007)
(Nature Geoscience, 25.11.2013 – NSC/NPO)