Menschen mit Hämophilie könnten vielleicht bald ohne die regelmäßige Spritze mit Gerinnungsfaktoren auskommen. Denn eine neuartige Gentherapie verhindert gefährliche Blutungen langfristig, wie jetzt erste erfolgreiche Tests bei Hunden zeigen. Die Tiere blieben immerhin bis zu zweieinhalb Jahre lang gesund. Die neue Methode könnte damit vor allem denjenigen helfen, bei denen herkömmliche Therapien nicht anschlagen, berichte die Forscher im Fachmagazin “ Nature Communications“
Unter der Bluterkrankheit litten schon der russische Zarensohn Alexei, Heinrich von Preußen und andere männliche Mitglieder des europäischen Hochadels. Und auch heute noch ist etwa einer von 1.000 Männern betroffen. Ursache der Hämophilie sind Gendefekte, die verhindern, dass der sogenannte Gerinnungsfaktor VIII produziert wird. Er sorgt normalerweise dazu, dass das Blut beispielsweise an Wunden verklumpt und so aufhört zu fließen. Fehlt dieses Protein aber, dann funktioniert die Blutgerinnung nicht. Wird dies nicht behandelt, können Blutungen an Gelenken und inneren Organen schwere Schäden auslösen und im Extremfall können selbst kleine Verletzungen zum Verbluten führen.
Bei einem Drittel gibt es Komplikationen
In den meisten Fällen lässt sich die Bluterkrankheit gut behandeln: Die Patienten spritzen sich regelmäßig das fehlende Gerinnungsprotein und gleichen so die mangelnde körpereigene Produktion aus. „In rund 30 Prozent der Fälle aber bilden die Patienten Antikörper gegen das Fremdprotein und hemmen dessen Wirkung dadurch“, erklären Lily Du vom Medical College of Wisconsin in Milwaukee und ihre Kollegen.
Unter anderem um ihnen zu helfen, gibt es bereits erste Versuche, den Defekt im Gen für den Gerinnungsfaktor mittels Gentherapie zu beheben. Dabei dienen meist Adenoviren als Genfähren, die per Infusion ins Blut injiziert werden und das reparierte Genstück in bestimmte Leberzellen einschleusen, die dann das Protein produzieren. Allerdings: Diese Therapie steckt noch im Versuchsstadium und kommt wegen der Risiken für die Leber für rund ein Drittel der Patienten nicht in Frage.
Genreparatur außerhalb des Körpers
Du und ihre Kollegen haben daher nun ein Verfahren entwickelt, dass den Gendefekt auf andere Weise behebt – außerhalb des Körpers. Sie entnehmen dazu Patienten zunächst Blutstammzellen und kultivieren diese in speziellen Nährmedien. Dann versetzen sie diese Zellkulturen mit Lentiviren, die das reparierte Genstück tragen und in die Blutzellen einschleusen. Die solcherart reparierten Blutstammzellen werden dann vermehrt und anschließend dem Patient wieder per Infusion zurückgegeben.
Zurück im Blut erzeugen diese Stammzellen Blutplättchen, die den benötigen Gerinnungsfaktor abgeben. Der große Vorteil bei dieser Methode: Weil die Einschleusung durch die viralen Genfähren nicht im Körper selbst passiert, besteht weniger Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen und Überreaktionen des Immunsystems.
Keine unstillbaren Blutungen mehr
Dass das Verfahren zumindest gut genug funktioniert, um die typischen folgenschweren Blutungen zu verhindern, zeigt jetzt ein erster Test mit drei Hunden. Zwar waren nach der Behandlung die Konzentrationen des Gerinnungsfaktors im Blutplasma der Tiere noch immer deutlich geringer als bei gesunden. Weil das Protein aber direkt von den Blutplättchen abgegeben wurde, reichte es aus, um lokal die Wundheilung einzuleiten und anhaltende Blutungen zu verhindern, wie die Forscher berichten. Bei keinem der drei Hunde seien zudem hemmende Antikörper gegen den Gerinnungsfaktor gebildet worden, zwei von ihnen waren sogar noch zweieinhalb Jahre nach der Behandlung blutungsfrei.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Gentransfer bei den Blutstammzellen die Blutungen bei an Hämophilie leidenden Hunden langfristig verhindert“, konstatieren Du und ihre Kollegen. Nach Ansicht der Forscher eröffnet dies neue Möglichkeiten, die Bluterkrankheit auch beim Menschen zu behandeln. Vor allem für Patienten, bei denen die gängige Therapie mit Gerinnungsfaktor-Injektionen nicht funktioniert, sei das eine echte Chance. Denn die Studien sowohl an Mäusen als auch an Hunden zeigten, dass die neue Gentherapie das Problem der hemmenden Antikörper umgeht.
„Diese Studie ebnet auch den Weg, um Patienten mit anderen erblichen Blutgerinnungsstörungen und weiteren mit den Blutplättchen zusammenhängenden Krankheiten zu helfen“, hoffen die Wissenschaftler. Denn gerade die Blutplättchen seien an vielen Zellprozessen beteiligt. (Nature Communications, 2013; doi: 10.1038/ncomms3773)
(Nature, 20.11.2013 – NPO)