Geowissen

Röntgenblick enthüllt Struktur von urzeitlichem Magma-Ozean

Forscher untersuchen erstmals Magma unter Bedingungen des tiefen Erdmantels

Eine Basaltprobe auf dem Diamantstempel nach der Untersuchung. © Chrystèle Sanloup/Universität Edinburgh

Zustände wie im Inneren der Erde: ein internationales Forscherteam hat den enormen Druck und die Temperaturen geschmolzenen Gesteins im unteren Erdmantel experimentell nachgestellt. Die Wissenschaftler konnten damit das Verhalten von Magma unter solchen Bedingungen erforschen, wie sie im Magazin „Nature“ berichten. Auch der Lösung eines alten Rätsels über die junge Erde kamen sie einen Schritt näher. Unser Planet könnte demnach sogar zwei übereinander liegende Magma-Ozeane besessen haben.

Junge Erde aus geschmolzenem Gestein

Schwer vorstellbar, dass die feste Erdkruste unter unseren Füßen nur hauchdünn ist, verglichen mit dem darunter liegenden Erdinneren. Kurz nach der Entstehung unseres Planeten, vor etwa 4,5 Milliarden Jahren, existierte die Kruste noch nicht. Die Erde war stattdessen bedeckt von einem Ozean aus geschmolzenem Gestein, der Magma. Erst allmählich erstarrte die Oberfläche zur Erdkruste, die Magma darunter bildet heute den Erdmantel.

Die Konsistenz des Mantels hat nicht mehr viel mit flüssigem Gestein gemeinsam, die urzeitlichen Magma-Ozeane sind heute fast vollständig kristallisiert. Durch den enormen Druck und die noch immer hohe Temperatur ist die Magma jedoch zäh und formbar: Die Platten der Erdkruste schwimmen gewissermaßen auf dem Mantel. Außerdem existiert innerhalb des Mantels auch heute noch geschmolzenes Magma in lokalen Taschen und möglicherweise in dünnen Schichten. Bei Vulkanausbrüchen tritt dieses geschmolzene Gestein als Lava an die Oberfläche.

Schematischer Querschnitt durch die heutige Erde. Ein Druck von 60 Gigapascal, wie er bei den Messungen maximal verwendet wurde, herrscht in etwa in der Mitte des unteren Erdmantels, in rund 1400 Kilometern Tiefe. © DESY

Schlüsselrolle in Evolution der inneren Erde

Vorherrschende Gesteinsarten sind Silikate, Verbindungen aus Silizium und Sauerstoff. Diese Elemente sind die häufigsten in Erdmantel und -Kruste. „Silikat-Flüssigkeiten wie basaltisches Magma spielen eine Schlüsselrolle in allen Evolutionsphasen der inneren Erde, von der Kern- und Krustenbildung vor Milliarden von Jahren bis zu vulkanischer Aktivität heute“, betont Chrystèle Sanloup von der Universität Edinburgh.

Das tiefe Innere der Erde lässt sich bislang jedoch unmöglich direkt beobachten. Forschern des Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) in Hamurg sowie der Universitäten Edinburgh, Amsterdam, Frankfurt am Main und Paris ist es nun aber gelungen, die Bedingungen im tiefen Erdmantel in einem Experiment nachzustellen. Sie konnten damit die Eigenschaften und das Verhalten geschmolzener Magma untersuchen.

Simulation des Erdmantels mit Laser und Diamant

„Aber um basaltisches Magma zu untersuchen, wie es auch heute im Erdmantel in lokalen Taschen vorkommt, mussten wir die Probe erst einmal aufschmelzen“, erläutert Zuzana Konôpková vom DESY. Dazu verwendeten die Wissenschaftler zwei Infrarotlaser und eine Diamantstempelzelle. Im Inneren der Zelle beschossen sie eine winzige Basaltprobe mit dem fokussierten Infrarotlicht und heizten sie so in wenigen Sekunden auf bis zu 3.000 Grad Celsius auf. Gleichzeitig setzten sie die geschmolzene Probe mit dem Diamantstempel mit bis zu 60 Gigapascal unter Druck, das entspricht dem 600.000-fachen des normalen Atmosphärendrucks.

Die so aufgeschmolzene Probe durchleuchtete das Team mit einem starken, fokussierten Röntgenstrahl. Innerhalb der Probe wird der Röntgenstrahl unterschiedlich abgelenkt und gebeugt. Die aufgezeichneten Beugungsmuster erlauben dann Rückschlüsse auf die Kristallstruktur in der Schmelze. Die am DESY verwendete Forschungslichtquelle PETRA III gilt als die stärkste Röntgenquelle der Welt. Erst durch die enorme Helligkeit des Röntgenlichts dieser Quelle ermöglichte diese Art von Schmelzexperimenten: „Zum ersten Mal konnten wir Strukturänderungen in geschmolzenem Magma über einen so weiten Druckbereich untersuchen,“ betont Konôpková.

Flüssiger Basalt wird zusammengepresst

Das intensive Röntgenlicht zeigt, dass sich die sogenannte Koordinationszahl von Silizium, dem häufigsten chemischen Element in der Magma, ändert. Bei niedrigem Druck ist jedes Silizium-Ion von vier Sauerstoff-Ionen umgeben. Unter hohem Druck steigt diese Zahl auf sechs Sauerstoff-Nachbarn an. Der flüssige Basalt wird dabei stark zusammengepresst, seine Dichte steigt von etwa 2,7 Gramm pro Kubikzentimeter bei niedrigem Druck auf knapp 5 Gramm pro Kubikzentimeter bei 60 Gigapascal.

„Eine wichtige Frage lautete, wie diese Änderung der Koordinationszahl in der Schmelze abläuft, und wie dies die physikalischen und chemischen Eigenschaften beeinflusst“, erläutert Sanloup. Flüssige Magma unterscheidet in diesem Verhalten sich offenbar drastisch von festem Silikat: In der Magma ändert sich die Koordinationszahl allmählich im Bereich zwischen 10 und 35 Gigapascal. Bei festem Silikat steigt die Koordinationszahl dagegen sprunghaft bei etwa 25 Gigapascal. Der daraus resultierende plötzliche Unterschied in der Dichte markiert auch die Grenze zwischen oberem und unterem Erdmantel.

Magma-Ozeane in Schichten erklären langsames Abkühlen

Diese Ergebnisse untermauern eine Theorie, nach der in der jungen Erde mehrere Magma-Ozeane in Schichten existiert haben können. „Unter niedrigem Druck lassen sich Magmen viel leichter zusammenpressen als ihre kristallinen Pendants, während sie oberhalb von 35 Gigapascal fast genauso steif sind“, betont Sanloup. Unter dem hohen Druck des unteren Erdmantels steigt die Dichte des Magmas demnach so weit, bis Gestein schließlich nicht mehr einsinkt, sondern auf dieser Schicht schwimmt. Auf diese Weise könnte sich eine kristalline Grenzschicht zwischen einem unteren und einem oberen Magma-Ozean in der jungen Erde gebildet haben.

Eine solche Schichtung mehrerer Magma-Ozeane könnte auch einige Ungereimtheiten darüber aufklären, wie lange die Abkühlung der jungen Erde dauerte. Geochronologische Abschätzungen ergeben, dass die Magma-Ozean-Ära einige Dutzend Millionen Jahre gedauert haben muss. Modellrechnungen zufolge wäre ein einzelner Magma-Ozean dagegen viel schneller abgekühlt, in nur etwa einer Million Jahre. Eine kristalline Schicht zwischen zwei solchen Ozeanen würde auch als Wärmeisolation wirken und könnte das Auskühlen entsprechend bremsen. Die noch heute seismologisch nachweisbaren isolierten Taschen mit Gesteinsschmelze oberhalb vom Erdkern könnten Überbleibsel eines tiefen Magma-Ozeans sein.

(Nature, 2013; doi: 10.1038/nature12668)

(DESY, 07.11.2013 – AKR)

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