In den Eisschilden der Polargebiete schlummern wertvolle Informationen über das Klima der Vergangenheit. Doch bisher reichten diese eisigen Archive nur rund 800.000 Jahre zurück. Jetzt haben Forscher Regionen in der Antarktis identifiziert, die sogar 1,5 Millionen Jahre alte Bohrkerne liefern könnten – fast doppelt so weit wie der bisherige Rekord.
Welche Klimaschwankungen gab es vor Tausenden von Jahren und wie viel Kohlendioxid war damals in der Atmosphäre? Um die Dynamik der heutigen Klimaentwicklung zu verstehen, schauen Klimaforscher gern in die Vergangenheit. Möglich wird dies durch die Analyse von Eisbohrkernen: Einstige Klimabedingungen spiegeln sich in den Schichten von Gletschern und polaren Eisschilden wider. „Eisbohrkerne enthalten winzige Luftblasen – sie ermöglichen den einzigen direkten Nachweis über die Zusammensetzung der Atmosphäre in der Vergangenheit“, sagt Hubertus Fischer von der Universität Bern.
Klimawandel vor 1,2 Millionen Jahren
Doch wie weit reichen diese frostigen Archive maximal? Den bisherigen Rekord beim Blick in die Vergangenheit lieferte ein 3,2 Kilometer langer Eisbohrkern aus der Antarktis, der vor etwa zehn Jahren geborgen wurde: Er ermöglicht Einblicke in die Klimageschichte der vergangenen 800.0000 Jahre. Doch die Neugier der Klimaforscher geht noch weit über diese Zeitspanne hinaus. Sie interessieren sich vor allem für eine Klimaveränderung, die in der Zeit von vor 1,2 Millionen und 900.000 Jahren stattgefunden hat. Diesen Klimawandel legen Untersuchungsergebnisse von Meeressedimenten nahe.
„Die sogenannte Mid-Pleistozän-Transition ist ein sehr wichtiger und rätselhafter Zeitintervall in der jüngeren Klimageschichte unseres Planeten“, sagt Fischer. Das Klima der Erde schwankt natürlicherweise zwischen Warm- und Kaltzeiten. Vor der Mid-Pleistozän-Transition erstreckten sich die Perioden über 41.000 Jahre, danach über 100.000 Jahre. „Der Grund für diese Änderung ist ungeklärt“, sagt Fischer. Die Klimaforscher vermuten, dass Treibhausgase bei dieser Veränderung eine Rolle spielten. Um diesen Verdacht zu bestätigen, wären die Daten aus Eisbohrkernen nötig. Deshalb sind die Forscher an Exemplaren so interessiert, die 1,5 Millionen Jahre zurückreichen.
Dicke Eisschicht allein reicht nicht
Den Forschern zufolge könnte sich ein solcher Bohrkern aus bestimmten Bereichen des antarktischen Eispanzers ziehen lassen. Die Suche nach geeigneten Stellen war keineswegs simpel – sie sind nicht identisch mit den Orten, wo das Eis am dicksten ist. „Wenn die Dicke des Eises zu hoch ist, taut die Erdwärme die untersten Eisschichten ab“, erklärt Fischer. Dies war auch der Grund, warum der bisherige Rekord-Bohrkern nur bis auf 800.000 Jahre zurückreicht. Ein weiterer kritischer Faktor sei die Bewegung des Eises: In Bereichen, in denen horizontale Verschiebungen stattgefunden haben, können Schichten durchmischt worden sein.
Um mögliche Standorte ausfindig zu machen, an denen diese beiden Störgrößen möglichst nicht gewirkt hatten, haben die Forscher alle relevanten Daten über die Eigenschaften des Eispanzers der Antarktis zusammengetragen und ausgewertet. So konnten sie bestimmte Regionen im Osten der Antarktis und nahe des Südpols identifizieren, an denen es Tiefeneis mit einem Alter von 1,5 Millionen Jahren geben könnte.
Der nächste Schritt sei nun, die möglichen Bohrstellen konkret auszukundschaften, um weitere Informationen über die tatsächliche Dicke des Eises und die Temperaturen am Grund zu gewinnen. Erst dann könne man sich für eine bestimmte Bohrstelle entscheiden. „Ein Bohrprojekt in der Antarktis könnte in den nächsten drei bis fünf Jahren starten“, sagt Fischer. Diese Zeit sei nötig, um die Bohrung logistisch zu planen und die Finanzierung für ein solches internationales Großprojekt zu sichern. „Vermutlich würde es rund 50 Millionen Euro kosten“, schätzt der Klimaforscher. (Climate of the Past, 2013; doi: 10.5194/cp-9-2489-2013)
(European Geosciences Union (EGU), 06.11.2013 – MVI)